Die Rache des Marquis
Schürzenjäger, nicht wahr?«
»Lyon und ich haben ihn noch nie zweimal mit derselben Frau gesehen. Aber die meisten Männer sind Schürzenjäger, ehe sie heiraten.«
»Das weiß ich nicht. Ich habe bisher kaum eine Gelegenheit gefunden, mich mit Männern anzufreunden. Dafür fehlte mir die Zeit.«
Christina ergriff eine Bürste und begann damit über Jades üppige Locken zu streichen. »Sie haben wunderbares Haar – wie rotes Feuer.«
»Ihr Haar ist viel schöner, Christina. Und die Männer bevorzugen Blondinen.«
Christina wechselte das Thema. »Ich glaube, heute nacht sind Sie Ihrem Schicksal begegnet.«
Weil Jade nicht das Herz hatte, ihr zu widersprechen, sagte sie nur: »Wenn Sie meinen …«
Als Christina die Beule entdeckte, bekam sie dieselbe Lüge zu hören, die Caine aufgetischt worden war. Jade bedauerte es, die nette Frau täuschen zu müssen, tröstete sich aber mit ihren lauteren Beweggründen. Außerdem hätte die Wahrheit ihre neue Freundin nur aufgeregt.
»Sie müssen das Leben einer Kriegerin führen, nicht wahr, Jade?«
»Einer – was?«
»Einer Kriegerin«, wiederholte Christina. »Sie waren lange allein, und deshalb trauen Sie niemandem.«
Jade zuckte die Schultern. »Vielleicht.«
»Jetzt sollten wir zu unseren Männern gehen.«
»Lyon ist Ihr Mann – aber Caine nicht meiner«, protestierte Jade. »Und ich möchte lieber ins Bett, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Inzwischen wird Caine gebadet haben und sich erfrischt fühlen. Sicher will er Ihnen Fragen stellen, zusammen mit Lyon, und Sie erst danach schlafen lassen. Männer können sehr eigensinnig sein, und es ist besser, sich hin und wieder ihren Wünschen zu fügen. Dann sind sie umgänglicher. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.«
Jade verknotete die Schärpe ihres Morgenmantels, folgte Christina und versuchte, sich gegen das bevorstehende Wortgefecht zu wappnen. Als sie die Bibliothek betrat, sah sie Caine an der Schreibtischkante lehnen. Die Stirn gerunzelt, schaute er ihr entgegen, und sie erwiderte den Blick genauso mürrisch. Wenn er bloß nicht so hübsch wäre … Die braune Kniehose, die Lyon ihm geliehen hatte, saß unanständig eng. Ein weißes Baumwollhemd bedeckte die breiten Schultern.
Sie setzte sich auf ein goldgelbes Sofa, und Christina reichte ihr ein Glas Brandy. »Trinken Sie das, es wird Sie wärmen.«
Vorsichtig nahm Jade einen Schluck und leerte das Glas erst, nachdem sie sich an den scharfen Geschmack des Alkohols gewöhnt hatte.
Zufrieden nickte Christina, und Jade fühlte sich plötzlich viel besser – und auch sehr schläfrig. Sie legte den Kopf an die Sofalehne und schloß die Augen.
»Schlafen Sie nicht ein!« befahl Caine. »Ich muß Sie befragen.«
Ohne die Lider zu heben, entgegnete sie: »Ich schlafe nicht ein, aber wenn ich die Augen geschlossen halte, muß ich Ihr böses Gesicht nicht anschauen, das meinen inneren Frieden stören würde. Warum haben Sie sich als Pagan ausgegeben?«
Zunächst herrschte tiefes Schweigen, dann rief Lyon: »Er hat – was?«
»Er hat sich als Pagan ausgegeben«, wiederholte Jade. »Ich weiß nicht, wie viele andere berühmte Leute er schon dargestellt hat. Offenbar leidet Ihr Freund an geistiger Verwirrung.«
Caine sah aus, als wollte er sie erwürgen, und Christina unterdrückte ein Lächeln. »Lyon, so aufgeregt habe ich unseren Freund noch nie erlebt.«
»Ich auch nicht«, entgegnet ihr Mann.
Caine hinderte ihn mit einem vernichtenden Blick an weiteren Äußerungen und murmelte: »Das ist unter diesen Umständen nicht verwunderlich.«
»Allerdings bezweifle ich, daß er jemals als Napoleon aufgetreten ist«, bemerkte Jade und hob die Lider. »Dafür ist er zu groß, und jeder weiß, wie Napoleon aussieht.«
»Genug!« brüllte Caine, holte tief Luft und fuhr in etwas sanfterem Ton fort: »Ich werde erklären, warum ich Pagan gemimt habe, wenn sie alle Ereignisse schildern, die zu dieser unglückseligen Nacht geführt haben.«
»Sie tun so, als wäre alles nur meine Schuld!« klagte sie.
Sekundenlang schloß er die Augen. »Ich mache Ihnen ja gar keine Vorwürfe.«
»Doch! Sie benehmen sich einfach unmöglich. Ich habe soviel durchgemacht, und Sie zeigen überhaupt kein Mitleid.«
Caine zählte bis zehn, dann gelang es ihm, einen Wutschrei zurückzuhalten.
»Erzählen Sie doch Ihre Geschichte, von Anfang an«, schlug Lyon vor.
Jade beachtete ihn nicht. Ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf Caine, der für ihren Geschmack
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