Die Rache des Marquis
atemlos.
Caine grinste. »Weil ich Lust dazu hatte.« Er drückte ihren Kopf an seine Schulter, um nicht zu einem weiteren Kuß verleitet zu werden. »Anscheinend sind Sie durch die Hölle gegangen. Wir werden unser Gespräch morgen fortsetzen. Wenn Sie ausgeruht sind, lösen wir das Problem gemeinsam.«
»Das ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen.« Ihre Stimme klang maßlos erleichtert. »Aber würden Sie mir bitte noch verraten, warum Sie sich als Pagan ausgegeben haben? Sie sagten, Sie wollten ihn aus seinem Versteck locken, und ich verstehe nicht …«
»Ich wollte seinen Stolz verletzen und ihn so wütend machen, daß er zu mir kommen würde. Wenn jemand so täte, als wäre er ich … Ach, zum Teufel, es ist so albern.« Geistesabwesend verschlang er die Finger in Jades seidigen Locken. »Alles andere habe ich schon versucht. Nicht einmal mit Geld konnte ich was ausrichten. Keiner läßt sich bestechen.«
»Warum wollen Sie Pagan sehen?«
»Ich möchte ihn töten.«
Ihr Atem stockte. »Und wenn er jemand anders an seiner Stelle zu Ihnen schickt – würden Sie den auch umbringen?«
»Ja.«
»Ist das Ihr Beruf? Verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt damit, Menschen ins Jenseits zu befördern?«
Sie starrte ins Feuer, aber er sah die Tränen in ihren Augen.
»Nein, Jade.«
»Aber Sie haben schon einmal getötet?«
»Nur wenn es nötig war.«
»Ich habe noch niemanden umgebracht.«
Er lächelte. »Das dachte ich mir.«
»Halten Sie es für nötig, diesen Piraten zu töten?«
»Ja.« Er gab seiner Stimme einen harten Klang, in der Hoffnung, Jade von weiteren Fragen abzuhalten. »Und seine verdammten Anhänger werde ich auch töten, wenn das die einzige Möglichkeit ist, an ihn heranzukommen.«
»O Caine, ich wünschte, Sie würden niemanden umbringen!« Wieder war sie den Tränen nahe.
Er lehnte sich in die Kissen zurück und schloß die Augen. »Sie sind eine feine Lady, Jade. So was können Sie nicht verstehen.«
»Dann erklären Sie’s mir«, flehte sie. »Pagan hat so viele wundervolle Dinge getan. Es wäre Sünde, wenn Sie …«
»Was hat er getan?« fiel er ihr ins Wort.
»Sicher haben Sie schon gehört, daß der Pirat den Großteil seiner Beute den Armen schenkt. Und dank seiner großzügigen Spende konnte in unserem Dorf ein neuer Kirchturm gebaut werden.«
»Eine Spende?« Caine schüttelte den Kopf. Welch eine lächerliche Formulierung … »Der Mann ist nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher Dieb. Er bestiehlt die Reichen …«
»Natürlich bestiehlt er die Reichen.«
»Was soll das heißen?«
»Er nimmt Ihnen nur was weg, weil sie so viel besitzen – und weil sie das bißchen, das er ihnen entwendet, nicht vermissen. Und den Armen kann er ja nichts stehlen.«
»Sie scheinen eine ganze Menge über den Piraten zu wissen, Jade.«
»Alle Leute reden über Pagans Abenteuer. Er ist ja so romantisch …«
»Offenbar glauben Sie, er müßte zum Ritter geschlagen werden.«
»Das wäre eine gute Idee.« Sie rieb ihre Wange an Caines Schulter. »Man behauptet, Pagan habe noch meinendem was zuleide getan. Deshalb finde ich es nicht richtig, daß Sie Jagd auf ihn machen.«
»Wenn Sie denken, er hätte noch niemanden ermordet – warum sind Sie dann zu ihm gekommen, um sich töten zu lassen? Oder erinnern Sie sich nicht mehr daran?«
»Doch. Wenn ich Ihnen meinen wirklichen Plan verrate – versprechen Sie dann, mich nicht auszulachen?«
»Ich gebe Ihnen mein Wort«, sagte Caine, erstaunt über ihre plötzliche Scheu.
»Ich habe gehofft, daß, wenn er mich nicht töten würde – er vielleicht bereit wäre, mich auf sein wunderbares Schiff mitzunehmen und bis zur Rückkehr meines Bruders zu beschützen.«
»Wäre dieser Wunsch in Erfüllung gegangen, hätten sie Tag und Nacht um Gottes Gnade beten müssen. Offenbar haben Sie zu viele phantasievolle Geschichten gehört. Übrigens irren sie sich. Der Bastard hat zumindest ein Menschenleben auf dem Gewissen.«
»Wen hat er getötet?«
Er schwieg und starrte ins Kaminfeuer. Als er endlich antwortete, klang seine Stimme eisig. »Pagan hat meinen Bruder Colin ermordet.«
4
»O Caine, es tut mir so leid«, flüsterte Jade. »Sicher vermissen Sie Colin ganz schrecklich. War er älter oder jünger als Sie?«
»Jünger.«
»Und wann starb er?«
»Vor ein paar Monaten.«
»Das muß für Ihre Familie furchtbar gewesen sein. Leben Ihre Eltern noch?«
Caine nickte. »Meinem Vater fällt es besonders schwer, Colins Tod hinzunehmen. Er
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