Die Rache des Marquis
die Schulter klopfte, schrie er ihnen nach: »Keine Dieberei! Wir sind zu nahe bei unserem Heim.«
»Aye, Black Harry!« rief einer der Männer.
»Parieren die Leute nicht großartig?« raunte Harry.
»O ja, Onkel«, stimmte Jade zu. »Und so flink.«
Harry nickte, legte die Hände auf die Knie und beugte sich vor. »Als ich hier reinkam, vernahm ich was, das wie Meuterei klang. Man sollte meinen, dies sei ein Augenblick, in dem man lauthals jubeln müßte. Hast du Jubelgeschrei gehört, Mädchen?«
»Nein, Onkel.«
»Ist unser Delphin eine solche Landplage, daß Sie ihn gar nicht wiederhaben wollen?« fragte er Caine. »Dafür hätte ich Verständnis. Der Kerl kann nicht einmal anständig Schach spielen.«
»Als wir zuletzt spielten, hatte ich meine fünf Sinne nicht beisammen«, erinnerte ihn Colin.
Harry schnaufte. »Sie haben so oder so ein Spatzenhirn, Kleiner.«
»Caine, weißt du, warum dieser miese Halunke Black Harry heißt?« Colin grinste seinen Bruder an.
»Das will ich ihm sagen«, verkündete Harry. »Weil ich ein schwarzes Herz habe.« Prahlerisch hob er die Brauen und wartete eine Weile, damit Caine diese Mitteilung auch richtig würdigen konnte. »Den Spitznamen habe ich mir selber gegeben. Paßt gut zu mir, was, Mädchen?«
»Natürlich, Onkel. Dein Herz ist schwarz wie die Nacht.«
»Es ist sehr lieb von dir, mich mit einem so netten Kompliment zu erfreuen.« Zärtlich tätschelte er Jades Hand. »Sobald meine Leute die Besorgungen erledigt haben, breche ich zur Wharf auf. Vorher brauche ich eine Stärkung.«
»Ich kümmere mich darum.« Jade eilte zur Tür und machte einen weiten Bogen um Caines Sessel. Ehe sie den Salon verließ, drehte sie sich noch einmal zu ihrem Onkel um. »Harry, bitte paß auf, daß Nathan und Caine sich inzwischen nicht an die Gurgel gehen.«
»Das wäre mir völlig egal!« rief Harry.
»Aber mir nicht. Bitte, Onkel …«
»Also gut, ich werd’s nicht erlauben.« Nachdem sich die Tür hinter Jade geschlossen hatte, wisperte er: »Schon vor Jahren hätte ich ihr das Gesicht zerschneiden sollen.
Sie ist viel zu hübsch, und das kann ihr gefährlich werden. Deshalb mußte ich sie so oft zurücklassen. Ich kann meinen Jungs nicht trauen, sobald ich ihnen den Rücken kehre.«
»Ja«, fauchte Nathan, »sie ist so schön, daß manche ehrlose Männer sich an ihr vergreifen würden.«
»Hör auf damit, Nathan«, mischte Colin sich ein, öffnete die Augen und sah Caine an. »Mein Bruder ist ein Ehrenmann.«
»Daß ich nicht lache!« knurrte Nathan.
Caine achtete nicht auf diesen Wortwechsel. Er dachte an Harrys Bemerkung, er habe Jade oft zurücklassen müssen. Wo? Und wer hatte sie während seiner Abwesenheit betreut? Eine Frau konnte nicht in der Nähe gewesen sein, sonst wüßte Jade etwas mehr von den Dingen des Lebens.
»Was soll das Gerede?« fragte Harry und erregte wieder Caines Aufmerksamkeit.
»Ich möchte Sie bitten, Geduld zu üben, Harry«, entgegnete Colin, »obwohl es Ihrem Charakter widerspricht. Es gab nur ein kleines Mißverständnis.«
»Dann solltet ihr es aus der Welt schaffen«, meinte Harry.
»Verdammt, Colin, ich weiß alles, was ich wissen muß!« stieß Nathan hervor. »Dein Bruder ist ein Bastard …«
»Wurden Sie unehelich geboren, mein Junge?« unterbrach ihn Harry. Diese Möglichkeit schien ihn zu faszinieren.
Caine seufzte. »Nein.«
Daß Harry keinen Hehl aus seiner Enttäuschung machte, ergab für Caine überhaupt keinen Sinn. »Dann dürfen Sie diesen Spitznamen nicht tragen, mein Junge. Nur ein unehelich geborener Mann verdient es, Bastard genannt zu werden.«
»Oder eine Frau«, warf Colin ein und bezähmte seinen Lachreiz, als Caine ihn ungläubig anstarrte. »Erzählen Sie ihm doch die Geschichte von Bastard Bull, Harry.«
»Colin, um Himmels willen …«, begann sein Bruder.
»Bald, Caine. Ich brauche noch etwas Zeit, um meine Gedanken zu ordnen.«
»Also gut.« Caine nickte und wandte sich zu Harry.
»Erzählen Sie mir von Bastard Bull.«
»Der war gar kein Bastard.« Harry zog die Stirn in tiefe Falten. »Das behauptete er nur, damit er bei uns anheuern konnte. Er wußte, welch großen Wert ich auf die Berechtigung von Spitznamen legte. Nachdem wir ihn als Lügner entlarvt hatten, schmissen wir ihn mitsamt unserem Müll über Bord.«
»Zufällig waren sie damals gerade mitten auf dem Meer«, ergänzte Colin. »Aber Pagan ließ ihn nicht ertrinken.«
»Wie rücksichtsvoll von Ihnen«, murmelte Caine in
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