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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Stadt auf. Stelle fest, wer eine Sänfte gezimmert hat, die an der Seite das Bild eines fauchenden Drachen trägt. Erkundige dich, wer diese Sänfte gekauft hat. Sag aber nicht, weshalb du es wissen willst. Falls der Mann, den Kenji letzte Nacht gesehen hat, wirklich der Mörder ist, darf er nicht erfahren, daß jemand ihn gesehen hat. Sonst vernichtet er womöglich die Sänfte, bevor wir sie als Beweismittel sicherstellen können.«
    Er hielt inne und winkte einen Nachrichtenverkäufer herbei, der mit einem Stapel Zeitungsblättern unter dem Arm zum Markt unterwegs war. Sano kaufte ein Nachrichtenblatt, überflog es und sagte: »Hör dir das an, Hirata. ›Todesdrohung für den Munetsugu-Klan. Der sōsakan des Shōgun behauptet, der bundori -Mörder wolle alle Nachkommen des Endō Munetsugu vernichten. Mögen sie auf der Hut sein!‹«
    Als der Zeitungsverkäufer weitereilte, wobei er lautstark die Schlagzeile rief, wandte Sano sich an seinen Helfer: »Verbreite diese Nachricht, wo du nur kannst, Hirata, wenn du deine Runde durch die Stadt machst. Wir müssen so viele Leute wie möglich davon in Kenntnis setzen, bevor die nächste Nacht anbricht.« Wenn sie den Mörder schon nicht fassen konnten, wären auf diese Weise wenigstens seine möglichen Opfer gewarnt und die Einwohner der Stadt beruhigt.
    »Ich werde mich sofort an die Arbeit machen«, sagte Hirata. »Ich bin nicht müde.«
    Er sah tatsächlich ausgeruht und frisch aus, als würde ihn – wie auch Sano – jene besondere Kraft antreiben, die aus dem Mangel an Schlaf erwachsen kann. Nachdenklich streichelte Hirata die Mähne der Stute und fügte hinzu: »Ich nehme an, Ihr möchtet Euer Pferd zurück.«
    »Du kannst es vorerst behalten«, erwiderte Sano. »Ich werde die Verpflegung der Stute bei den Stallungen der Polizeikaserne bezahlen.«
    Erstaunen und Dankbarkeit erhellten Hiratas Miene. »Vielen Dank, sōsakan-sama !«
    Sano erkannte, daß Hirata die Geste falsch aufgefaßt hatte. Offenbar verstand er sie als Ausdruck des Vertrauens und eines wachsenden persönlichen Verhältnisses zwischen ihm und seinem Vorgesetzten. Dabei hatte Sano dem jungen dōshin lediglich die Möglichkeit verschaffen wollen, in kürzerer Zeit einen größeren Teil der Stadt aufzusuchen, indem er ihm zu diesem Zweck das Pferd lieh. Nun aber konnte Sano sein Angebot nicht zurückziehen, ohne Hirata dadurch zu verletzen.
    »Soll ich weiterhin nach dem hochgewachsenen, hinkenden Verdächtigen mit dem pockennarbigen Gesicht Ausschau halten?« fragte Hirata.
    Sano ließ den Blick zum Marktplatz schweifen, während er sich Hiratas Frage durch den Kopf gehen ließ. Der Morgen war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, und die hohe Luftfeuchtigkeit sorgte dafür, daß einem der Gestank der Abwasserkanäle und der faulige Geruch der Gemüseabfälle noch schlimmer in die Nase stieg. Unter einem hellen, dunstigen Himmel, der den baldigen Beginn des Sommers verkündete, schienen der Markt weniger gut besucht und die Käufer und Kunden stiller zu sein als üblich; es fehlte spürbar die gewohnte Atmosphäre fröhlicher, lärmender Geschäftigkeit.
    Wie lange mochte es dauern, bis die Kunde vom letzten Mord sich in der Stadt herumgesprochen hatte? Konnte die Nachricht, die Sano in den Zeitungsblättern hatte verbreiten lassen, eine neuerliche Woge der Angst eindämmen? Die Furcht vor einem Anwachsen der öffentlichen Unruhen war für Sano beängstigender als die Bedrohung seines eigenen Lebens.
    »Laß unseren hinkenden, pockennarbigen Unbekannten vorerst beiseite«, sagte er schließlich.
    Sano glaubte immer noch an Aois geheimnisvolle Kräfte und ihre Intelligenz. Sie hatte ihn davon überzeugt, daß sie tatsächlich Verbindung zur Welt der Geister aufnehmen konnte. Wie sonst hätte sie den Geist seines Vaters anrufen können? Und den Geist Sperlings, der Kurtisane? Wie sonst hätte sie von den Sorgen des hatamoto Kaibara erfahren können? Wie sonst hätte sie wissen können, unter welchen Umständen der rōnin Tōzawa ums Leben gekommen war? Aoi hatte gewußt, daß der Mord an dem Eta gewissermaßen zu Übungszwecken gedient hatte; sie hatte erkannt, daß Kaibaras Status als letzter Überlebender seines Klans für den bundori -Mörder der Anlaß gewesen war, die alte Fehde General Fujiwaras wiederaufleben zu lassen.
    Aus diesem Grund mußte Sano nun allerdings auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß Aoi ihn mit Absicht in die Irre geführt hatte. Vielleicht hatte sie den Mord am

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