Die Rache des Samurai
Unberechenbarkeit und dem vollen Einsatz seiner Kräfte lag. In einer flirrenden Bewegung schwang er die Keule, wobei er sich blitzschnell drehte und abwechselnd schlug und stieß und nach Körperteilen zielte, die nicht von der Rüstung geschützt waren. Er traf eine Schulter, eine Wange. Die Hitze des Kampfes verlieh ihm frische Kräfte.
Doch seine nächsten Hiebe trafen auf festes Holz, als seine Gegner die Schläge mit den Keulen parierten. Die Bande hatte sich von Sanos Angriff erholt und landete nun wieder mehr Treffer, als Sano durch Abducken oder Ablenken der Schläge verhindern konnte. Schmerz explodierte in seiner Schulter, im Rücken, im Gesicht.
»Wer hat euch das befohlen?« fragte er mit keuchender, kaum verständlicher Stimme, denn sein Mund war mit salzigem Blut gefüllt. »War es Chūgo?«
Der Hauptmann der Wache befehligte sämtliche Soldaten des Palastes, darunter gewiß auch Sanos Angreifer. Chūgo hätte sowohl diesen Überfall als auch die dazu erforderliche Lockerung der Sicherheitsmaßnahmen anordnen können. Sanos Angreifer antworteten mit brutalen Tritten ans Knie ihres Opfers. Von einem roten Nebel aus Schmerz umhüllt, stieß Sano hervor:
»Oder war es Kammerherr Yanagisawa?«
Als die wirkliche Macht hinter dem Shōgun beherrschte Yanagisawa den gesamten Palast und alle Beamten, Wachen und Bediensteten. Er haßte Sano und wollte seine Vernichtung. Überdies war Yanagisawa der Hauptverdächtige. Sano sah einen weiteren Schlag kommen und riß instinktiv den Arm hoch, um sein Gesicht zu schützen. Die Keule hämmerte mit Wucht auf seinen Ellbogen, und Sano konnte einen schmerzerfüllten Schrei nicht zurückhalten. Er hörte, wie einer der Männer rief: »Sei still, oder du wirst noch Schlimmeres erleiden!«
Sano war entschlossen, die Wahrheit zu erfahren. Trotz der Schmerzen und der Furcht bohrte er weiter.
»War es Matsui?«
Viele Gefolgsleute des Shōgun mußten Schulden bei dem Händler haben, so daß Matsui sich jeden Dienst erkaufen konnte. Hatte er diesen Angriff befohlen?
Ein schmetternder Schlag aufs Gelenk, und Sano flog die Keule aus der Hand. Er hörte einen Donnerschlag, als ein weiterer Hieb seine Schläfe traf. Vor seinen Augen verwandelte sich die Umgebung in einen verrückten Wirbel aus Licht und Bewegungen. Keuchend stürzte Sano auf die Seite. Das rauhe Gelächter seiner Peiniger hallte ihm in den Ohren.
»Schaut euch den großen sōsakan an! Liegt auf dem Boden, wohin er gehört!«
Sano konnte sich nicht rühren. Seine Muskeln fühlten sich wie breiiges Fleisch an; Blut und Schweiß durchtränkten seine Kleidung. Ihm wurde schwarz vor Augen; die Geräusche verebbten. Als er spürte, wie er allmählich in Bewußtlosigkeit versank, nahm er seine Niederlage hin. Die Männer würden ihn zu Tode prügeln, und er konnte nichts dagegen tun.
Plötzlich riß eine laute Stimme Sano aus seinem Dämmerzustand. Neben ihm prallte ein Körper schwer zu Boden. Wütende Rufe verwandelten sich in überraschte Schreie.
»Wer …?Was …?«
Sano blinzelte verwirrt, als ein weiterer seiner Peiniger auf den Rücken flog, als hätte eine fürchterliche Kraft ihn nach hinten geschleudert. Dann erschien eine schlanke, in Schwarz gekleidete Gestalt, und vor Sanos benommenen Blicken geschah etwas Unglaubliches. Inmitten der lauernden, brüllenden Angreifer wirbelte und flirrte die Gestalt umher. Ihre Arme fegten den Schlägern die Keulen aus den Händen; die Männer krümmten sich, als wuchtige Tritte sie in Magen und Unterleib trafen. Ein fürchterlicher Hieb in den Nacken fällte einen weiteren Mann, als der nach seinem Schwert greifen wollte.
Sano schloß die Augen, um seinen Verstand vor dieser verrückten Halluzination zu verschließen; denn etwas anderes konnte es unmöglich sein. Sein Geist versank immer wieder in schwarzen Wogen, die über sein Wachbewußtsein hinwegschwappten. Sano wußte nicht, wieviel Zeit verstrich. Dann wurde ihm verschwommen bewußt, daß die Geräusche um ihn herum verstummt waren und die Bewegungen geendet hatten. Er zwang sich, die Augen aufzuschlagen. Über sich sah er die Sichel des Mondes, die im Rhythmus des pulsierenden Schmerzes, der seinen ganzen Körper marterte, an- und abschwoll. Hatten seine Angreifer ihn als tot liegen lassen? Dann hörte er leise, nahezu geräuschlose Schritte, doch seine durch den Schmerz geschärften Sinne nahmen sie deutlich wahr.
Die Männer kamen zurück.
Das Entsetzen ließ Sano noch einmal zu klarem Verstand
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