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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Verletzung stärkte. Die meisten Kräuter kannte Sano; sie waren gebräuchliche Heilmittel, doch einige hatte er noch nie zuvor gesehen. Sein Mißtrauen Aoi gegenüber wuchs.
    »Was ist das?« Er wies auf eine Schüssel voller schleimiger brauner Streifen, die wie fauliger Fisch stanken.
    Aoi runzelte die Stirn, offenbar ehrlich verwundert über Sanos plötzliche Feindseligkeit. »Die Haut vom Schlammfisch«, sagte sie. »Um dem Schwären der Wunden vorzubeugen. Ich werde Euch nicht weh tun. Bitte, ruht Euch jetzt aus.«
    Sie streckte die Hand mit dem Tuch aus, um Sano wieder das Gesicht abzuwischen, doch Sano schlug ihren Arm zur Seite. »Und was ist das?« Er blickte auf ein Gefäß mit zerstampften Blättern, die einen stechenden Geruch verströmten.
    »Verschiedene Kräuterblätter und Essig. Um Prellungen zu heilen.« Aoi verschränkte die Arme vor der Brust und sagte in einem Tonfall erzwungener Geduld: »Wenn Ihr mir nicht helft, kann ich Euch nicht helfen.«
    Als sie sich umdrehte, um das Tuch in einem Holzeimer zu befeuchten, bewegte ihr Oberkörper sich zwischen Sano und der Lampe, in deren Gegenlicht ihre bleiche Kleidung schwarz wurde. Licht umhüllte ihr zur Seite gewandtes Gesicht und erweckte Sanos schlummernde Erinnerungen vollends zum Leben.
    Eine schattenhafte Gestalt. Das Profil eines Gesichts im Mondlicht …
    Sano packte Aois Handgelenk. Er hörte, wie sie scharf den Atem ausstieß, als er sie herumzerrte und sie zwang, ihn anschauen.
    »Nicht die Wächter haben mich nach Hause gebracht. Die Wächter haben mich verprügelt. Und Ihr seid auch nicht von meinen Dienern gerufen worden, nicht wahr? Wie kommt es, daß Ihr hier seid?«
    Mit einem ergebenen Seufzer erwiderte Aoi: »Also gut. Ich habe im Fukiage einen Spaziergang gemacht. Ich habe Euch auf der Lichtung gefunden. Ich habe Eure Diener gerufen, damit sie Euch nach Hause tragen, und bin geblieben, um Eure Wunden zu behandeln. Ich wollte es Euch nicht sagen, weil ich Angst hatte, daß Ihr mich für anmaßend haltet. So, und nun laßt mich bitte weitermachen, damit Ihr wieder gesund werdet.«
    Der Zorn ließ eine Höhle in Sanos Brust aufklaffen, die seine Atemluft einsaugte. Er ließ Aois Handgelenk los und schleuderte mit einem wilden Schwung des Armes die Gefäße mit den Heilmitteln durchs Zimmer, ohne Aois protestierende Schreie zu beachten.
    »Keine Lügen mehr!« brüllte er. »Ich kann mich jetzt an alles erinnern. Ihr – eine Frau, allein – habt fünf Männer besiegt. Dann habt Ihr mich ohne fremde Hilfe nach Hause getragen. Um mich mit Euren Zaubermitteln zu vergiften! Als hättet Ihr mir nicht schon genug Leid zugefügt!«
    Sano lud alle Wut auf Aoi ab, die sich in seinem Inneren aufgestaut hatte: den Zorn auf die Männer, die ihn verprügelt hatte; auf Magistrat Ueda, der ihn zurückgewiesen hatte; auf Kammerherr Yanagisawa, der sich gegen ihn verschworen hatte; auf Tokugawa Tsunayoshi, der ein so schwacher Mensch war. Und den Zorn auf sich selbst, da er nicht die Macht hatte, sein Geschick selbst zu bestimmen.
    »Mit Euren Ritualen und Visionen habt Ihr mich getäuscht.« Und dafür gesorgt, daß ich dich begehre, hätte er am liebsten hinzugefügt. »Ihr habt mich und meinen Helfer zur Jagd auf einen Mann getrieben, den es gar nicht gibt. Ihr habt das alles getan, damit meine Nachforschungen scheitern!«
    Da es ihm zuwider war, wie ein hilfloser Krüppel vor seiner Feindin zu sitzen, rappelte Sano sich auf. Er stöhnte, als rasender Schmerz seine Beine durchfuhr; er schwankte, als ihn eine Woge der Übelkeit überkam. Schweiß strömte ihm aus den Poren. Dennoch registrierte sein umnebelter Verstand, daß seine Verletzungen nicht so schlimm waren, wie er befürchtet hatte – oder wie sie hätten sein können, hätte Aoi nicht eingegriffen. Doch diese Erkenntnis konnte seinen Zorn nicht mindern. Aois Kampfkünste, ihre Körperkraft und ihr Wissen um die Heilkunde bestätigten nur, was ihre Lügen, ihre Herkunft aus der Provinz Iga und ihre mystischen Kräfte Sano bereits hatten vermuten lassen.
    »Ninja!« fuhr er sie an. »Eine schmutzige Agentin! Eine Spionin in Diensten des Bösen und der Finsternis! Für wen arbeitet Ihr?«
    Aoi erhob sich und starrte ihn an. Ihre Augen funkelten vor Wut – eine Wut, die der Sanos in nichts nachstand. »Wer seid Ihr, daß Ihr mich als schmutzig bezeichnet?« spie sie ihm ins Gesicht. »Ich diene denselben Herrn wie Ihr – den Tokugawa. Sie bestimmen meine Pflichten, wie sie die Euren

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