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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Ladeneingängen wurden wenig verlockende Waren angeboten: billige Töpfereien und Geschirr, häßliche Stoffe, fauliger Kuchen und übelriechender Fisch. Die wenigen Fußgänger – allesamt heruntergekommene Samurai und männliche gemeine Bürger – beäugten Sano und Hirata mißtrauisch. Vor leeren Teehäusern saßen die Besitzer müßig in der Sonne und rauchten Pfeife. Statt zu versuchen, Sano und Hirata in ihre Läden zu locken, starrten sie die beiden bloß an.
    »Hier ist es.« Hirata blieb vor einem Teehaus stehen und sagte zu dem Eigentümer: »Wilder Eber erwartet uns.«
    Der Eigentümer musterte die Besucher mißtrauisch; dann winkte er sie ins Innere. Sano und Hirata schoben den verblaßten blauen Vorhang zur Seite und betraten den leeren Eingangsflur. Hirata schritt voran, als sie über den Flur zu einem Hinterzimmer des Gebäudes gingen, aus dem gedämpfte Stimmen und Gelächter zu hören waren. Als Hirata einen weiteren Vorhang zur Seite schob, erkannte Sano den wahren Zweck der heruntergekommenen Läden und Teehäuser.
    In dem Hinterzimmer, in dem trübes Licht herrschte, knieten Männer dicht an dicht auf dem Boden. Der Qualm aus ihren Pfeifen machte die ohnehin rauchgeschwängerte Luft noch dicker. Vor den Männern standen Takakschachteln am Boden, Körbe voller glühender Kohlen, Krüge und Schalen mit Sake sowie Münzstapel, neben denen Spielkarten lagen. Die Männer beachteten Sano und Hirata gar nicht, so sehr waren sie in ihr Spiel vertieft. Murmelnd machten sie ihre Einsätze, und geübte Hände schoben Karten und Münzen blitzschnell zwischen den Spielern umher.
    Hier – wie auch in den benachbarten Läden und Teestuben – befand sich eine der verbotenen Spielhöllen Edos, das Reich der stetig wachsenden Unterwelt, der Diebe, Schwindler, Betrüger, Straßenräuber und anderer Verbrecher. Die »Eigentümer« vor den Ladeneingängen waren nichts anderes als Aufpasser, die nach Polizisten oder rivalisierenden Ganoven Ausschau hielten.
    Hirata bewegte sich vorsichtig zwischen den Spielern hindurch und bedeutete Sano, ihm zu einem weiteren Türeingang zu folgen, vor dem ebenfalls ein Vorhang hing. Der Eingang führte auf einen dunklen Flur, in dem es nach Urin roch. Vom anderen Ende des Flures waren Rufe, Gelächter und klirrende Geräusche zu vernehmen.
    »Ihr müßt wissen, sōsakan-sama , daß dies hier nicht mein Bezirk ist«, flüsterte Hirata, der sich offenbar für das völlige Fehlen polizeilicher Kontrolle schämte. »Es gefällt mir ganz und gar nicht, daß Bestechungsgelder angenommen werden, damit solche Spielhöllen betrieben werden können. Aber sie haben ihren Nutzen!«
    Sie betraten ein heißes, stickiges Zimmer mit niedriger Decke. Die Läden vor den Fenstern waren geschlossen, und eine flackernde Öllampe verlieh dem Inneren des Raumes ein düsteres Aussehen, so, als wäre es tief in der Nacht. Der Geruch von Erbrochenem, Rauch, Schweiß und Schnaps erfüllte die Luft.
    In der Mitte des Raumes befand sich ein Kampfring, dessen Begrenzungen aus rohen Holzbalken bestanden. Im Inneren des Ringes umkreisten sich lauernd zwei junge Männer, die nur Lendenschurze und Stirnbänder aus Baumwolle trugen. Konzentriert und voller entschlossener Kampfeswut starrten sie einander an. Beide hielten kusari-gama in den Händen – kurze Sensen mit scharfer Klinge; an den Enden der Griffstücke aus Holz baumelten mit Gewichten beschwerte Ketten. Die kusari-gama wurden für gewöhnlich von Bauern verwendet, um plündernde Schwertkämpfer zu entwaffnen; hier jedoch wurden sie für einen widerwärtigen, gefährlichen Zweikampf benützt. Beide Gegner hielten den Holzgriff ihrer Waffe in der Linken; mit der Rechten ließen sie die Ketten in einem tödlichen Wirbel kreiseln. Schweiß glänzte auf den angespannten Muskeln der Kämpfer; ihre Münder waren verzerrt und gewährten den Blick auf abgebrochene Zahnstummel. Ihre Körper waren von alten Narben und frischen, blutenden Wunden überzogen.
    Johlende Samurai und gemeine Bürger drängten sich um den Ring. Viele der Gemeinen trugen kunstvolle Tätowierungen auf den Armen und Oberkörpern – Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu organisierten Verbrecherbanden. Sano hatte solche Männer zuvor schon gesehen, doch noch nie in so großer Zahl. Offenbar hielten sie sich an Orten wie diesem auf, während die braven Bürger ihr Tagewerk verrichteten. Hirata hatte recht: Konnte es eine bessere Quelle für Informationen über verbotene Aktivitäten geben als

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