Die Rache des Samurai
zu haben, der ihn mit dem Schwert attackiert hatte. »Hat er gesagt, wie er an das Geld herankommen würde?«
»Er sagte, eine bedeutende Person habe ihm den Auftrag erteilt, einen hochrangigen Bürger zu töten, und das Geld sei die Bezahlung dafür. Aber die Gruppe hat ihm nicht getraut. Nango hatte unstete Augen. Stets huschten sie hin und her wie Forellen in einem Bach. Also haben sie ihn davongejagt. Doch hinterher haben sie sich gesagt, daß sie sich vielleicht in Nango getäuscht hätten. Denn er war ein hervorragender Schwertkämpfer. Es brauchte fünf Mann, um den häßlichen kleinen Fuchs hinauszuwerfen. Und er hat ihnen allen Schnittwunden verpaßt.«
Die Schilderung Wilder Ebers, was Nangos unbeherrschtes Verhalten betraf, paßte ebenfalls zu dem Meuchelmörder: Ein guter Kämpfer, der im Leben Schwierigkeiten wegen seiner Unbesonnenheit bekommen hatte, die ihm letztlich den Tod brachte.
»Hat er gesagt, wer ihm den Auftrag erteilt hat, und wen er töten sollte?« fragte Sano.
Der Informant lachte spöttisch: ein Grunzen, wie sein Namensvetter es hätte ausstoßen können. »Falls er überhaupt die Wahrheit gesagt hat, war er klug genug, den Mund zu halten. Aber ich sag’ dir was. Ich habe schon mehrere Leute wie Nango kennengelernt. Sie kommen wie ein Wirbelsturm in die Stadt gejagt, bringen Tod und Vernichtung, und brausen wieder hinaus aufs Meer. Und ihr Herr ist der Mann droben auf dem Hügel.«
Der eisige Sturmwind einer bösen Vorahnung durchfuhr Sanos Inneres. »Welcher Mann?«
»Die Leute kommen zu mir, weil sie Tatsachen hören wollen, keine Meinungen. Aber wenn du willst, werde ich dir sagen, was ich glaube.« Wilder Eber hielt inne; dann beugte er sich näher an Sano heran. Sein säuerlicher, von Reiswein geschwängerter Atem wehte Sano ins Gesicht, als er raunte: »Es ist der zweite Hund.«
Der Shōgun, Kammerherr Yanagisawa und Makino, der Vorsitzende des Ältesten Staatsrates, trugen die Spitznamen ›die drei Hunde‹ – sie alle waren im Jahr des Hundes geboren, und sie alle hatten auf irgendeine Weise mit den ›Gesetzen zum Schutz der Hunde‹ zu tun, die Tokugawa Tsunayoshi erlassen hatte. Dem Rang entsprechend, war der Shōgun der erste Hund. Yanagisawa, der zweite Hund, führte die Meute. Der Sturmwind, der um Sanos Herz tobte, jagte ihm schneidende Böen bis in die Kehle hinauf.
»Der zweite Hund hat Nango den Auftrag erteilt?« fragte er. Alles in ihm sträubte sich dagegen, diese Behauptung zu glauben.
»Ich würde darauf wetten, Freund.«
»Warum?« hakte Sano nach.
Wieder schlug ihm die übelriechende Atemwolke des Wilden Ebers ins Gesicht, als dieser entgegnete: »Miyagi Kojirō. Vor drei Jahren von einem unbekannten Schwertkämpfer angegriffen und getötet, als er über die Tōkaidō reiste. Der Mörder wurde nie gefunden. Aber ich habe Freunde an den Kontrollstationen auf der Fernstraße, die einen fuchsgesichtigen, Kürbissamen kauenden Mann gesehen haben, der Miyagi auf der Fährte war. Ein Mann, der dem Kerl überaus ähnlich sah, über den wir gerade reden.«
Sano erinnerte sich, daß Noguchi ihm von Miyagi erzählt hatte. Er war einst Ratgeber des Shōgun und ein Rivale des Kammerherrn Yanagisawa gewesen. Gerüchte besagten, daß Yanagisawa die heimliche Ermordung Miyagis befohlen habe. »Aber könnte Nango nicht von jemand anderem beauftragt worden sein?« ließ Sano nicht locker. Sein verzweifelter Wunsch, die Behauptung von Wilder Eber widerlegen zu können, verleitete ihn zur Unvorsichtigkeit. Für sein Empfinden wußte der Informant zu viel . Sagte er tatsächlich die Wahrheit, oder dachte er sich bloß phantasievolle Geschichten aus, die er zu einem guten Preis verkaufen konnte? »Chūgo Gichin, zum Beispiel«, sagte Sano. »Oder Matsui Minoru. Männer mit Geld und Einfluß.«
Wieder grunzte Wilder Eber. »Chūgo kommt so wenig aus dem Palast heraus wie der Shōgun selbst. Als würde das Palastgelände ihm gehören. Er hat keine Verbindungen zu Männern wie Nango oder sonst jemand, den ich kenne. Wenn Chūgo will, daß jemand getötet wird, erledigt er es selbst, sagt man von ihm. Und Matsui hat andere Möglichkeiten, seinen Willen durchzusetzen.«
Chūgos eigene Worte stimmten mit der Einschätzung von Wilder Eber überein, was den Hauptmann der Palastwache betraf. Und auch der Eindruck, den Sano von Matsui bekommen hatte, wurde durch die Aussage des Informanten bestätigt. Sano wußte nicht genug über diese beiden Männer, als daß er irgendeiner
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