Die Rache des Samurai
hatte seine Feigheit gar nicht gestehen wollen. Doch – wie zuvor schon – hatte Aoi ihn dazu gebracht, Gedanken zu offenbaren, die ein Samurai nicht haben durfte. Kein anderer Mensch hörte ihm mit so viel Verständnis zu oder erlaubte es ihm, endlich einmal die Fassade des unerschütterlichen Gleichmuts fallen zu lassen, den ein Samurai nach außen immer und überall zeigen mußte.
Nach diesen vorbereitenden Worten brachte Sano sein eigentliches Anliegen zur Sprache.
»Aoi. Ein Samurai hat die Pflicht, seine Angst und seine Gefühle zu verleugnen und den Tod hinzunehmen. Aber es ist nicht deine Pflicht. Du hast deine Sicherheit und die deiner Familie aufs Spiel gesetzt, um etwas zu tun, das ich dir nie gutmachen und mir niemals verzeihen kann.«
Die nächsten Worte fielen ihm unendlich schwer; es war, als würden ihm Stücke aus der Seele gerissen. »Du kannst gehen, wenn du möchtest, Aoi. Sag Yanagisawa, daß ich dich nicht empfangen wollte. Nie werde ich jemandem erzählen, was du für mich getan hast. Ich verspreche es.«
Weil ich dich liebe . Er wandte den Blick ab, damit Aoi seine Trauer nicht sah – und er nicht die Erleichterung in ihren Augen. Denn für sie beide hatte die Pflicht den Vorrang vor allem anderen. Sanos eigener Ehrenkodex untersagte es ihm, Aoi weiterhin in Gefahr zu bringen. Ihn tröstete einzig der Gedanke, daß er vielleicht schon bald sterben mußte, so daß er nicht lange unter der Trennung von Aoi zu leiden hatte.
Dann hörte er ein Rascheln; die Leiter am Waschzuber knarrte, und mit einemmal stieg Sano das Wasser bis zum Kinn. Erstaunt drehte er den Kopf und sah, daß Aoi sich entkleidet hatte und zu ihm in den Zuber gestiegen war.
»Halt mich fest«, flüsterte sie.
Sie ließ ihn nicht allein! Sanos Kummer wich unbändiger Freude … und doch wußte er, daß er dieser Freude nicht nachgeben durfte.
»Aoi, nein«, sagte er.
»Pssst.« Sie legte ihm einen Finger auf den Mund. Er sah, daß ihre Lippen bebten; Tränen schimmerten in ihren Augen.
»Sag mir, was geschehen ist.« Sanos Stimme klang flehend.
Ihre einzige Antwort war ein heftiges Kopfschütteln. Sie schlang die Beine um Sanos Hüften, und er gab sich dem Verlangen hin, ließ sie gewähren. Vom Wasser getragen, schien Aoi beinahe gewichtslos zu sein. Er unterdrückte den Wunsch, ihr über die Schultern, die Brüste, die Hüften zu streicheln und ihre gespreizten Schenkel näher an seinen Schoß zu ziehen. Das warme, ölige Wasser verlieh Aois Haut eine wundervolle Glätte und Geschmeidigkeit. Der Körperkontakt ließ bei beiden die Begierde wieder aufflammen. Aoi fuhr mit dem Finger sanft über sein Gesicht – mit einer Zärtlichkeit, die Worte nicht hätten vermitteln können. Sie reagierte auf seine Liebkosungen mit einer leidenschaftlichen Hingabe, die Sano zeigte, daß sie ihm nicht nur ihren Körper schenkte, sondern ihr ganzes Ich. Sanos Ängste und sein Mißtrauen lösten sich auf wie der Dampf um sie herum. Stöhnend zog er Aoi auf sich herunter.
Mit einem berauschenden Gefühl der Lust packte er ihre Hüften und drang behutsam in sie ein. Das duftende Wasser machte ihn benommen; die Schönheit ihres Gesichts vor dem Hintergrund der üppigen Kirschblüten, die im Wind wogten, raubte ihm den Atem. Er zügelte sein Verlangen, bewegte ihre Hüften langsam auf und ab. Aoi seufzte. Es hätte keinen größeren Unterschied geben können als zwischen dieser sanften, sinnlichen Vereinigung und dem wilden, gierigen Sex am vergangenen Abend. Sano erkannte, daß ihr Beisammensein die extremsten und widersprüchlichsten Gefühle umfaßte – Freude und Trauer, Schmerz und Wonne, Liebe und Haß, Zärtlichkeit und Gewalt. Der Gedanke, daß dies alles bald für immer enden würde, gab ihm einen Stich ins Herz.
Aoi schien dieses schmerzliche Wissen mit ihm zu teilen. Sie weinte nun ungehemmt, selbst als sie sich schneller bewegten, als ihre Leidenschaft wuchs. In der lustvollen Verzückung des sexuellen Höhepunkts stöhnte Sano laut auf. Sie klammerten sich aneinander, und Sanos Tränen vermischten sich mit denen Aois, als sie ihre Wange an die seine preßte. Er wünschte sich, diesen Augenblick für immer festhalten zu können.
Sano wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war, als er sich widerwillig von Aoi löste.
»Ich muß gehen«, sagte er.
Er stieg aus dem Zuber, trocknete sich ab und stellte mit Erleichterung fest, daß er sich wieder geschmeidig bewegen konnte.
»Warte.« Auch Aoi stieg aus dem Wasser, rieb
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