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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Augen. Er besaß den stämmigen Körper und die sonnengebräunte Haut eines Bauern. Seine drei Helfer, die allesamt noch jünger waren als Hirata selbst, drängten sich um ihn.
    Offenbar stand Sano das Mißfallen ins Gesicht geschrieben, denn Tsuda brach in schallendes Gelächter aus, wobei es ihm offenbar nichts ausmachte, daß er Sano dadurch beleidigte. »Stellt Nachforschungen an, wo und wann es Euch gefällt«, sagte er. »Aber macht Euch gar nicht erst die Mühe, nach den Überresten des Toten zu suchen. Hier haben sie gelegen.« Mit einer verächtlichen Geste trat er mit der Fußspitze in den Boden. »Aber nun sind sie bereits unterwegs zur Leichenhalle von Edo.« Er lachte erneut, verneigte sich mit einer flüchtigen Verbeugung vor Sano und verschwand mitsamt seinen Helfern.
    Sano schaute auf die Stelle hinunter, die Tsuda mit seinem Fußtritt bezeichnet hatte. Seine Laune sank auf den Nullpunkt, als er sah, daß der trockene, festgestampfte Erdboden, der den Straßenbelag bildete, an dieser Stelle frisch gefegt und feucht von Wasser war. Hier mußte Kaibara Tōjus Körper zu Boden gefallen sein, doch es war keine Spur geblieben; Sano konnte keinerlei Hinweise mehr entdecken – falls es jemals welche gegeben hatte –, und er sah keinen persönlichen Gegenstand des Toten, den er Aoi geben konnte, damit sie ihr Ritual durchführen konnte.
    Die Gruppe der Verdächtigen umfaßte im Grunde sämtliche erwachsenen Bürger Edos, und bis der Shōgun seine Befehle an die Polizei wiederholt hatte, Sano zu unterstützen, besaß er keine anderen Helfer als die vier jungen Männer, die wahrscheinlich nicht mehr über den Mord wußten als er selbst. Als Sano an seinen anfänglichen Optimismus dachte, konnte er kaum glauben, daß die Nachforschungen so unglückselig begonnen hatten. Doch es war seine Pflicht, unverzüglich und nach bestem Wissen und Können zu handeln; das Recht des Shōgun und Sanos Ehre als Samurai verlangten es so.
    Sano legte die Hände trichterförmig an den Mund und rief: »Achtung!« Die Menge verstummte; Köpfe drehten sich zu ihm um. »Die Personen, die den Leichnam des Ermordeten entdeckt haben, mögen vortreten.« Falls sie nicht bereits von der Bühne verschwunden sind, dachte Sano verdrossen.
    Zu seiner Erleichterung lösten sich zwei Männer und eine Frau aus der Menge. Sofort fielen sie auf die Knie, verbeugten sich tief und murmelten wieder und wieder: »Ehrenwerter Herr.«
    »Steht auf«, sagte Sano, dem diese demütige Zurschaustellung von Respekt peinlich war. Gemeine Bürger mußten Samurai immer und überall Achtung erweisen; denn die Angehörigen der Kriegerkaste konnten Bauern und gemeine Bürger grundlos töten, ohne mit einer härteren Bestrafung als einem Tadel rechnen zu müssen. Doch seit Sano das Wappen der Tokugawa trug, waren die Bezeugungen der Achtung, Demut und Höflichkeit, die man ihm entgegenbrachte, zuviel für einen Mann von seiner bescheidenen Herkunft.
    »Laß die Straße räumen, wenn du kannst«, sagte er zu Hirata. »Ich werde inzwischen die Zeugen befragen.« Weitere Gaffer waren hinzugekommen und hatten die Menschenmenge noch mehr anwachsen lassen; einige Kerle, deren Arme und Brustkästen tätowiert waren, sahen wie Ganoven aus. In dem lauten und rauhen Viertel Nihonbashi konnte jeder Vorfall eine Schlägerei auslösen, und die konnte Sano – wie auch die Stadt – nun am allerwenigsten gebrauchen.
    Mit unerwartetem Fleiß und Erfolg machten Hirata und seine Helfer sich daran, die Menge auseinanderzutreiben. Sano wandte sich den Zeugen zu. Zwei waren ein altes Ehepaar, das sich eng aneinanderschmiegte, Schulter an Schulter. Sie sahen einander so ähnlich, daß sie Bruder und Schwester hätten sein können: Beide waren klein, dünn, von Alter und Arbeit gekrümmt, zahnlos, grauhaarig und mit altersfleckiger Haut. Sie trugen identische blaue Kimonos und Strohsandalen, und die gleichen Muster aus Falten und Runzeln furchten ihre Gesichter. Der andere Mann war ungefähr zwanzig Jahre jünger, stämmig, mit schwabbeligen Hängebacken und kurzem Haar, das er zu einer Tolle gekämmt hatte. Sein Speer mit dem Bambusgriff und der lederne Waffenrock kennzeichneten ihn als Wachposten – einen der Zivilisten, welche die Tore von Nihonbashi bemannten.
    Sano wandte sich an den alten Mann. »Wie heißt Ihr?«
    »Tarō, Herr. Ich bin der Eigentümer dieser Apotheke.« Er zeigte auf den Laden. »Meine Frau und ich haben den Körper gefunden.«
    »Und Ihr?« fragte Sano den

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