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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Jugend. Auch Hirata schien ein Samurai zu sein, der die Nachforschungen als eine Möglichkeit betrachtete, sich selbst zu beweisen. Sano verspürte einen unerwarteten Anflug von Sympathie für den jungen Mann.
    »Wir werden sehen«, sagte er, freundlicher als zuvor. Aus eigener Erfahrung wußte er, daß man Unerfahrenheit in der Tat durch Entschlossenheit wettmachen konnte.
    Hirata errötete noch heftiger, lächelte leicht und eilte mit schwungvollen Schritten davon.
    Sano band sein Pferd los und ritt in Richtung Norden zur Leichenhalle von Edo. Vielleicht konnten die Überreste Kaibara Tōjus ihm jene Hinweise liefern, die er am Schauplatz des Mordes nicht gefunden hatte.

4

    H
    och über dem Palast von Edo hallten die Schritte der Wachposten bis in das oberste Geschoß des düsteren Bergfrieds. Die Männer patrouillierten über die Gänge und Treppen in den unteren Etagen dieses gewaltigen Turmes. Die Strahlen der Nachmittagssonne fielen durch die vergitterten Fenster und bildeten Schächte aus Licht, in denen Staubteilchen schwebten. Kammerherr Yanagisawa stand an einem Fenster; vor dem Hintergrund der abwechselnd hellen und dunklen Streifen bildete seine schlanke, hochgewachsene Gestalt einen schwarzen Schattenriß.
    »Nun denn, kunoichi «, sagte er, und in seiner Stimme lag ein Anflug von Herablassung. »Welche Informationen konntet Ihr und Euer Netzwerk aus Spitzeln und Spionen über sōsakan Sano zusammentragen?«
    Aoi, die hinter ihm stand, zuckte beim Klang von Yanagisawas Stimme zusammen. Als kunoichi hatte er sie bezeichnet – als weiblichen Ninja, als Beherrscherin der düsteren Kriegskünste und Nachfahrin von Dämonen und übernatürlichen Mächten, wie die Legenden besagten. Doch es war nicht die Bezeichnung, die Aoi verärgerte; im Gegenteil: Sie war stolz darauf, was sie war. Doch Yanagisawas offen zur Schau getragene Verachtung entfachte ein Feuer des Zorns in ihrem Inneren, das immer heller und heißer loderte. Schon seit undenklichen Zeiten fühlten die Samurai sich den Ninja überlegen – mehr noch, als ein Mann sich einer Frau überlegen fühlte. Die Samurai betrachteten die Ninja als schmutzige Söldner, die sich des Diebstahls, der Sabotage, der Täuschung, der Tücke und des hinterhältiges Mordes bedienten, um ihre Ziele zu erreichen, und nicht des edlen und aufrechten Waffenkampfes, Auge in Auge mit dem Gegner, wie die Samurai ihn praktizierten. Aoi fragte sich, ob Kammerherr Yanagisawa eigentlich wußte, daß seine gesellschaftliche Klasse diese Dämonen erst geschaffen hatte. Einst waren die Ninja friedliebende buddhistische Mystiker gewesen; ihre berühmten, gefürchteten und tödlichen Fähigkeiten beim Kampf mit und ohne Waffen hatten sie lediglich zur Verteidigung gegen die herrschenden Samurai entwickelt, welche die Tempel niedergebrannt und die Gläubigen abgeschlachtet hatten, nur um zu vernichten, was sie nicht begreifen konnten. Dennoch hatte diese Abneigung den Ninja gegenüber Yanagisawa und seinesgleichen nie davon abgehalten, die Dienste der Ninja in Anspruch zu nehmen und sie jene Arbeiten verrichten zu lassen, die von den Samurai als unehrenhaft, feige und unter ihrer Würde betrachtet wurden.
    Zum Beispiel, wenn es galt, einen hilflosen Untergebenen auszuspionieren.
    Aoi ließ sich die Verachtung nicht anmerken, die sie für ihren Herrn empfand, und sagte: »Sano steht jeden Morgen früh auf, um Waffenübungen zu machen. Er arbeitet viele Stunden in den Archiven. Und er ißt und trinkt nur mäßig.« Strengste Übungen hatten Aoi befähigt, jegliche Empfindung aus ihrer Stimme herauszuhalten, als sie Yanagisawa nun jene Informationen übermittelte, die Sanos Diener ihr zugetragen hatten. »Niemals geht er ins Vergnügungsviertel Yoshiwara; statt dessen besucht er seine alte Mutter. Er nimmt an keinen Glücksspielen teil, und er verschleudert sein Geld nicht für unbedeutende Dinge. Wenn er Feiern besucht, kehrt er stets früh nach Hause zurück und schläft allein.«
    Während sie redete, sah Aoi sich selbst vor ihrem inneren Auge, wie sie am Ende einer langen Reihe von Ninja stand – eine Reihe, die mehr als zweihundert Jahre in die Vergangenheit zurückreichte und sich über die langen Kriege hinweg erstreckte, aus denen die Tokugawa als Sieger hervorgegangen waren. Sie sah Fumo Kotarō, der die Truppen des Fürsten Hōjō Odawara bei geheimen nächtlichen Angriffen auf die verfeindeten Takeda geführt hatte; sie sah Saiga Magoichi, den unübertroffenen Meister im

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