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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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irgend jemand sein Leben ließ. »Aber ich habe erfahren, daß er gestern abend das Himmlische Vergnügen besucht hat.«
    Das Himmlische Vergnügen war eines der größten Freudenhäuser in Yoshiwara. »Wer hat die Überreste entdeckt?« fragte Sano, wobei die Furcht in ihm aufstieg, daß vor seinem Eintreffen irgendein wertvoller Zeuge verschwunden sein könnte.
    Zu seiner Erleichterung erwiderte der Sicherheitsmann: »Ein Samurai, der Yoshiwara besuchte, hat den Kopf gefunden; dann ist er die Straße hinuntergerannt und hat die Wachen am Tor alarmiert, und die Wachposten haben dann uns geholt.« Der Mann zeigte erst auf sich selbst, dann auf vier seiner Kollegen, die im Kreis um Sano und die gräßliche Trophäe standen und die Menge der neugierigen Gaffer zurückdrängten. »Den Körper haben wir anschließend auf einem Feld ganz in der Nähe entdeckt.«
    Sano richtete seine Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Zu dieser morgendlichen Stunde waren in beiden Richtungen viele Reisende auf der Straße nach Yoshiwara unterwegs: Samurai und gemeine Bürger zogen in Richtung des Vergnügungsviertels, während die letzten Zecher der vergangenen Nacht nach Hause schwankten. Auf der rechten Seite, im Südosten, hinter einer natürlichen Begrenzung aus Weidenbäumen, an die Sanos Pferd angebunden war, schimmerte der San’ya-Kanal im Sonnenlicht. Wildgänse flogen über die Reisfelder auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals, die zwar schon gepflügt, aber noch unbepflanzt und unbewässert waren, und über den erhöhten Damm, auf dessen Krone Sano stand. Vor ihm reihten sich Teestände an der Straße, die zum Tor von Yoshiwara führte. Dahinter erhoben sich die Mauern und Dächer des Vergnügungsviertels.
    »Hat jemand sich gemeldet, der den Mord beobachtet hat?« fragte Sano.
    »Nein, sōsakan-sama .«
    Sano wünschte sich, Hirata wäre bei ihm; denn er rechnete mit einer langen und beschwerlichen Suche nach Zeugen. Doch er hatte den jungen dōshin in Edo zurückgelassen, damit dieser die bislang erfolglose Suche nach Verdächtigen an jener Straße vornahm, die vom banchō zum Apothekerviertel führte. Mehr als je zuvor vermißte Sano eine ausreichend große Zahl von Mitarbeitern. Verflucht sollte Kammerherr Yanagisawa sein!
    »Ich möchte mit dem Mann reden, der den Kopf gefunden hat«, sagte Sano zu dem Sicherheitsbeamten. »Und dann könnt Ihr mir den Körper zeigen.«
    Zuerst aber beugte Sano sich nieder, um das Schildchen vom Pferdeschwanz der Trophäe zu lösen. Er sah, daß die Tusche-Schriftzeichen von derselben Hand geschrieben waren wie auf dem Schildchen, das man an Kaibaras Kopf gefunden hatte. »Endō Munetsugu«, las Sano, und in seinem Inneren breitete sich Unruhe aus.
    Diese neue Entwicklung schwächte seine Theorie, daß der Mörder irgendeinen Groll gegen die Kaibara-Sippe hegte. Wie Araki hatte auch Endō Munetsugu während des Sengoku Jidai gelebt – des »Jahrhunderts der Kriege« – und hatte unter Fürst Oda Nobunaga gekämpft. Doch soweit Sano wußte, waren die Familien Endō und Araki-Kaibara nicht verwandt. Ebensowenig waren sie demselben Herrn zum Treueid verpflichtet – die Endōs hatten nicht Tokugawa Ieyasu, sondern Toyotomi Hideyoshi gedient, jenem General, der nach dem Tod Oda Nobunagas an die Macht gekommen war. Verzweiflung verdrängte Sanos Hoffnungen, als er erkennen mußte, daß der Fall sich immer mehr ausweitete. Schon wieder ein neuer historischer Aspekt, der die Ermittlungen komplizierte! War dieser Tote ein Nachkomme von Endō Munetsugu? War der Mörder von Samurai-Kriegern aus der Vergangenheit besessen? Und wenn – warum?
    Sano steckte das Schildchen unter seine Schärpe, um es sich später genauer anzuschauen. Dann holte er sein Pferd und führte es am Zügel, als er die Sicherheitsmänner über den Damm zur Straße nach Yoshiwara begleitete. Bald darauf gelangten sie zu den Teeständen, von denen jeder eine rote Laterne trug, auf welcher der Name eines Freudenhauses stand. Vor den Ständen warteten lange Reihen von Kunden darauf, Sake zu kaufen und Schäferstündchen mit ihren Lieblingskurtisanen vorzubestellen. An der Rückwand des letzten Standes auf jener Straßenseite, an der sich der Kanal befand, hockte die zusammengesunkene Gestalt eines sichtlich niedergeschlagenen Mannes am Boden. Sano ließ sein Pferd in der Obhut des Sicherheitsbeamten zurück und ging zu dem Mann hinüber, der den Kopf hob, als er Sano näherkommen sah.
    Der Mann, ein Samurai, war für seinen

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