Die Rache des Samurai
darauf zu legen, daß ich den bundori -Mörder nicht fasse.«
Noguchis Kopf schwenkte von einer Seite zur anderen, als er Sanos Bewegungen verfolgte. »Dann dürft Ihr ihn eben nicht fassen«, sagte er schließlich, als wäre es die vernünftigste Lösung dieses Problems.
Abrupt blieb Sano stehen und starrte Noguchi ungläubig an. Als er den Mund öffnete, um zu protestieren, rief Noguchi: »Nein, wartet! Laßt es mich erklären!«
Er sprang vor und packte Sanos Arm. »Ihr seid lange genug in Diensten des Shōgun, um zu wissen, wie es um die Sache steht.« Obwohl sie allein waren, blickte Noguchi sich verstohlen um und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Der Zustand Seiner Hoheit verschlechtert sich immer mehr. Von Jahr zu Jahr wird er ein schwächerer Herrscher, während seine Ausschweifungen schlimmer werden. Eines baldigen Tages wird er die Regierungsgeschäfte ganz aus der Hand geben und sich nur noch dem Theater, dem Konfuzianismus, der Religion und den Knaben widmen und es Yanagisawa überlassen, das Land zu regieren.«
Sano löste sich aus Noguchis Griff und trat an ein Fenster. Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte er auf die undurchsichtige Papierbespannung. »Noch ist Tokugawa Tsunayoshi unser oberster Herr, ungeachtet seiner Fehler und Schwächen«, sagte er, wenngleich es ihm einen schweren Schlag versetzt hatte, den eigenen Verdacht bestätigt zu sehen, was den Shōgun betraf. Denn wie sollte seine Zukunft aussehen, wenn er auf Yanagisawas Gnade angewiesen war? »Der Shōgun will, daß der Mörder gefaßt wird. Ich kann die Befehle Seiner Hoheit nicht mißachten! Außerdem ist es die wohl einzige Möglichkeit, mich auszuzeichnen und meiner Familie Ruhm und Ehre zu machen.«
Wieder schritt Sano hin und her auf einem Weg, der ins Nirgendwo führte – wie alle Wege, die in eine Richtung verliefen, die Kammerherr Yanagisawa nicht gefiel.
Noguchi folgte ihm wie ein kleiner, beharrlicher Schatten. »Ihr begreift offenbar nicht, mein Freund«, sagte er, »daß Ihr keine Gelegenheit mehr haben werdet, Euch auszuzeichnen, wenn Ihr Euch Yanagisawa in den Weg stellt, weil Ihr dann nämlich Euer Amt verliert.« Er hielt inne, um Atem zu holen, und fuhr fort: »Saigo Kazuo, Miyagi Kojirō und Fusei Matsugae. Habt Ihr schon einmal von diesen Männern gehört?«
»Ja. Sie waren die Ratgeber Seiner Hoheit, als er vor zehn Jahren Shōgun wurde.«
»Sie waren . Jeder hatte beträchtlichen Einfluß auf Seine Hoheit, verlor ihn aber, als Yanagisawa zur Macht aufstieg. Saigo hat als Aufseher einer Fernstraße im hohen Norden des Landes das Zeitliche gesegnet.«
Noguchi gab seine Bemühungen auf, mit Sano Schritt zu halten, doch sein lautes Flüstern hielt an, beharrlich und ärgerlich wie das Summen einer Mücke. »Miyagi ist angeblich am Fieber gestorben. Aber hinter vorgehaltener Hand munkelt man, daß Yanagisawa ihn ermorden ließ. Und Fusei … offiziell hat er seppuku begangen, weil man ihn dabei erwischt hat, wie er Gelder aus der Schatzkammer unterschlug. Doch in Wirklichkeit hat er nach vielen Schikanen durch Yanagisawa den Kopf verloren und ist auf der Ratsversammlung mit dem Schwert auf den Kammerherrn losgegangen. Später behauptete er, der Geist seiner verstorbenen Mutter habe ihm dazu geraten.«
Noguchi brauchte nicht hinzuzufügen, daß Fuseis pflichtgemäßer Selbstmord die Strafe dafür gewesen war, daß er im Innern des Palasts von Edo eine Waffe gezogen hatte. »Der Kammerherr hat diese drei Männer rücksichtslos beseitigen lassen, weil er sie als Hindernisse auf dem Weg zur Vormachtstellung betrachtet hat. Und der Shōgun hat keinen Finger gerührt, um das Leben dieser Männer zu retten.«
Sanos Schritte wurden langsamer. Auch er hatte Gerüchte über Yanagisawas Machenschaften gehört; aber eine so schreckliche Geschichte war ihm dabei nicht untergekommen. »Auch wenn ich möglicherweise das gleiche Schicksal erleide wie diese Männer – es ist mir egal«, sagte er schließlich und versuchte, sich mutiger zu geben, als er sich fühlte. »Und es ist meine Pflicht, den bundori- Mörder zu fassen.«
Noguchi stieß einen tiefen Seufzer aus, kniete nieder und setzte sich auf den Fußboden. »Bitte, hört auf die Stimme der Vernunft, Sano- san . Zerstört wegen dieser Mordgeschichte nicht Euer Leben. Wenn Ihr das nächste Mal den Shōgun aufsucht, erteilt ihm den Rat, die Angelegenheit der Polizei zu übergeben. Ihr seid ein kluger junger Mann. Ihr werdet schon eine Möglichkeit
Weitere Kostenlose Bücher