Die Rache des schönen Geschlechts
verfolgt und angegriffen. Ihr müsst bitte alle entschuldigen, es gibt keine Rechtfertigung.«
»Komm, wir gehen rüber«, sagte Di Giovanni. »Wir fragen ihn mal, was er gegen dich hat. Der ist bestimmt zugedröhnt.«
Sie brauchten nicht aufzustehen. Ein Inspektor klopfte an und trat ein.
»Wissen Sie was, Dottor Montalbano? Sie haben einen Dealer dingfest gemacht, den wir schon eine ganze Weile kennen. Das Futter seines Hutes war mit Drogen voll gestopft. Der Taugenichts heißt Antonio Lapis, er lebt hier in der Nähe bei seinen Eltern, in der Via Costabella.«
Montalbano erstarrte.
»I. i. ich glaube, ich kenne seinen Vater. Ist das der mit den Bekleidungsgeschäften?«
»Ja, genau. Der Vater ist ein tüchtiger Mann, aber der Sohn ist ein Lump.«
Montalbano fällte eine rasche Entscheidung. Flucht. »Könntet ihr mir ein Taxi rufen?«
Zurück im Hotel sagte er dem Portier, er sei für niemanden zu sprechen, dann legte er sich in die Badewanne und schloss die Augen. Bei Ernesto Lapis würde er sich nicht mehr melden, er brachte es nicht über sich, ihm zu erzählen, was passiert war. Da blieb er lieber deprimiert in der Badewanne liegen und wartete auf den ersten Nieser, den das typische Nasenjucken schon ankündigte.
Das vierte Geheimnis
Kapitel 1
Warum versteckte er sich um drei Uhr nachts in einem Hauseingang und spionierte Catarella nach? Sosehr er sich auch anstrengte, er kam einfach nicht drauf, nur zweierlei war ihm klar: erstens dass Catarella etwas tat, was er nicht durfte, von dem Montalbano aber nicht wusste, was es war; zweitens dass Catarella nicht wissen durfte, dass er ihn verfolgte. Aber was hatte die ganze Geschichte zu bedeuten? Tat Catarella etwas Unrechtes? In Uniform schlich er gebückt nah an der Mauer eines baufälligen Hauses entlang, das schwarze Löcher statt Fenster hatte. Immer verwirrter bemerkte Montalbano, dass Catarella das linke Bein nachzog und seinen Revolver in der Hand hatte. Die Straße war menschenleer, von den zehn Laternen, die sie hätten beleuchten sollen, gingen höchstens fünf. Plötzlich blieb Catarella wie angewurzelt stehen, blickte sich um und lief dann auf ein Auto zu, das neben dem Bürgersteig parkte. Obwohl es so dunkel war, meinte Montalbano zu sehen, dass sich in dem Auto etwas bewegte. Tatsächlich ging die Tür auf, und ein Mann stieg aus. Was unmittelbar darauf geschah, hätte aus einem amerikanischen Streifen stammen können: Während Catarella noch schneller auf ihn zuging, hob der Mann den Arm und schoss. Es musste eine großkalibrige Waffe sein, denn bei dem Schuss in die Brust flog der Polizist gegen die Mauer, die drei oder vier Meter entfernt war. Bevor Montalbano reagieren konnte, sprang der Mann wieder in sein Auto und fuhr mit quietschenden Reifen los. Mit zwei Sätzen war der Commissario bei Catarella. Er lag verrenkt am Boden, mitten auf der Brust ein großer dunkler Fleck. Er hielt die Augen geschlossen und keuchte. »Catare! O mein Gott! Catare!«:
Catarella blinzelte und brauchte eine Weile, bis er den Commissario erkannte. Montalbano hockte sich neben ihn. »Catare!«
»Ah, Dottori! Sie?«
»Ja, Catare, ich bin's. Was ist denn los? Was ist passiert?«
Catarella versuchte etwas zu sagen, aber ein Blutschwall aus dem Mund hinderte ihn daran. »Catare, ganz ruhig, ich ruf.«
»Nein, Dottori«, flüsterte Catarella, »rufen Sie niemand, das ist nicht nötig. Es ist alles gespielt. Merken Sie immer noch nichts, Dottori? Wir spielen Theater.«
Montalbano sah ihn fassungslos an: Klar, der Polizist war im Delirium, er lag im Sterben und faselte wirres Zeug. Doch der Commissario wollte es genau wissen: »Was heißt, ihr spielt Theater?«
Catarella verzog den Mund. War es ein Grinsen oder eine schmerzverzerrte Grimasse? Montalbano bohrte nach: »Was heißt das?«
»Dass wir mitten in einer Oper sind, wo wir singen, Dottori. Haben Sie denn das Blut auf meiner Jacke nicht gesehen, das ist Tomatensauce.«
Unter dem erstaunten Blick des Commissario stützte Catarella sich mit den Händen am Boden ab, richtete sich auf, rückte seine schief sitzende Uniformmütze zurecht, legte sich eine Hand auf die Brust und fing an zu singen. Mochte die Situation sein, wie sie wollte, der Commissario konnte nicht ignorieren, dass Catarella eine schöne und sichere Stimme hatte.
»... die Stunde ist dahin, und ich sterbe verzweifelt!«
Dann brach er zusammen. Montalbano war sofort klar,
dass Catarella tot war. Unbändige Wut packte
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