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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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einige Details erläutern. Doch worüber er sich grün und blau ärgerte, war das amüsierte Glitzern in den Augen dieses Riesenarschs Bonetti-Alderighi: Der Questore wusste ganz genau, wie sehr es Montalbano widerstrebte, sich aus Vigata fortzubewegen.
    »Sie reisen morgen. Ich habe Ihr Flugticket schon abholen lassen.«
    Fliegen - auch das noch. Er hatte keine Lust, dem Questore zu erklären, dass er im Flugzeug immer todunglücklich war.
    Supra 'a pasta, minnulicchi!, dachte er bitter, als der Questore ihm das Ticket reichte.
    Mandeln auf den Nudeln: der Gipfel aller erdenklichen Katastrophen.
    Im Flughafen Fiumicino wartete er geduldig an der Gepäckausgabe auf den kleinen Koffer, den er dummerweise nicht als Handgepäck mitgenommen hatte, und steckte sich eine Zigarette an. Eine elegante Dame warf ihm einen verächtlichen Blick zu, ein feiner Pinkel neben ihm zischte:
    »Im Flughafen wird nicht geraucht!«
    Verschämt trat der Commissario die Zigarette aus. Als sich das Förderband eine halbe Stunde lang gedreht hatte, waren alle seine Reisekollegen wieder im Besitz ihres Gepäcks und bereits gegangen. Das leere Band drehte sich noch drei- oder viermal, blieb dann stehen, das gelbe Licht, das den Betrieb anzeigte, erlosch, und schließlich begriff Montalbano, dass sein Handkoffer nicht angekommen war, vielleicht flog er gerade nach Burkina Faso oder in den Ural. In der Gepäckermittlung beriet man sich erst hektisch hinter vorgehaltener Hand und bezweifelte, dass er überhaupt in Palermo an Bord gegangen war, dann teilte man ihm mit, sein Handkoffer sei in eine Maschine nach Wladiwostok verladen worden, aber das sei nicht so schlimm, er solle seine Adresse in Rom hinterlassen, binnen höchstens drei, vier Tagen bekomme er das Gepäck wieder. Montalbano gab, da er der Sache nicht traute, seine Adresse in Vigata an und rannte hinaus, um eine Zigarette zu rauchen, denn er hielt es wirklich nicht mehr aus.
    Das Taxi flog über die Autobahn, aber kaum war es in Rom, fiel es in das Schritttempo eines ebenso feierlichen wie neurotischen Trauerzuges: alle fünf Minuten zwei Meter, ungeordnete, asthmatische Autoschlangen, sonderbare Baustellen (kein Arbeiter weit und breit) an aufgerissenen Straßen, Brücken, die vor lauter provisorischen Fahrbahnbegrenzungen aus Beton eigentlich nur von Fahrrädern passiert werden konnten.
    »Rom macht sich schön fürs Heilige Jahr, und wir werden immer hässlicher«, lautete der Kommentar des Taxifahrers, als er die Gesichter der Pechvögel in den anderen Autos betrachtete.
    Der Betrag auf dem Taxameter entsprach der Hälfte von Montalbanos Monatsgehalt. Er zahlte, stieg aus und stellte fest, dass es nicht weit vorn Hotel einen Herrenausstatter gab. Unter anderem hatte er folgende Eigenart: Wenn er nicht jeden Tag Socken, Unterhose und Hemd wechselte, kam er sich verloren und krank vor, seine Haut fühlte sich klebrig an, als schwitzte sie Fett aus.
    Nach den Schaufenstern zu urteilen, war das Geschäft vielleicht ein bisschen zu elegant und teuer, aber er hatte keine Lust, ein anderes zu suchen. Er ging hinein, kaufte drei Paar Socken, drei Hemden, drei Unterhosen, drei Taschentücher, eine Krawatte, und als er auf den Kassenzettel sah, den ihm die Kassiererin lächelnd reichte, wusste er, dass die zweite Hälfte seines Monatsgehalts draufgegangen war.
    Er verließ das Geschäft beinah fluchtartig und stieß mit einem Herrn zusammen, der gerade eilig hineinging. »Entschuldigen Sie vielmals«, sagte der Commissario. »Das macht doch nichts!«, rief der Signore. Dann packte er Montalbano plötzlich am Arm und starrte ihn an.
    »Verzeihen Sie, aber. heißen Sie möglicherweise Montalbano?«
    Der Commissario musterte ihn. Der dickliche elegante Herr mochte etwa in seinem Alter sein. »Ja.«
    »Mein lieber Salvuzzo!«
    Benommen ließ er sich von dem Unbekannten in den Armen wiegen und immer wieder auf die Wangen küssen. Dann trat der Mann einen Schritt zurück, ließ ihn aber nicht los. »Lapis!«, rief er.
    ».lazuli«, sagte Montalbano irritiert. »Immer noch der alte Witzbold! Erkennst du mich denn nicht?«
    »Nein.«
    »Ich bin Lapis! Kannst du dich nicht erinnern?«
    Da dämmerte es ihm. Ernesto Lapis! Klar, jetzt erinnerte er sich an ihn, auch wenn er ihn am liebsten aus seinem Gedächtnis getilgt hätte. Er war der klassische üble Schulkamerad gewesen, der einen vom rechten Weg abbringt, und seinetwegen war der kleine Salvo nicht jeden zweiten, sondern gleich jeden Tag von

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