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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ihn.
    »Catare!«, schrie er.
    Und in seinem Schrei schwangen auch Schrecken, Angst, Verlorenheit mit.
    Von demselben Schrei wachte er schweißgebadet auf. Mühsam öffnete er die Augen, die Lider fühlten sich an, als seien sie mit einer zähen, klebrigen Paste verschmiert. Er hatte schlecht geträumt. Und ihm fiel auch gleich der Grund dafür ein: Schuld war ein gutes Pfund frische Saubohnen, die er am Abend zuvor draußen auf der Veranda vertilgt hatte, dazu einen kleinen Laib frischen Schafskäse, den Adelina ihm in den Kühlschrank gestellt hatte. Das Schöne am Frische-Saubohnen-Essen besteht auch in dem Vergnügen, dass man sie zweimal aufknackt und man dabei schon in Gedanken schmeckt, was kurz darauf Zunge und Gaumen erfreuen wird.
    Das ist nämlich so: Du knackst zuerst die Hülse der Saubohne, die innen und außen ein bisschen haarig ist und sich angenehm anfühlt, dann knackst du jede einzelne Bohne, die, während du die Haut abziehst, einen frischen Duft ausströmt, der dein Herz belebt. Und beim Aufknacken denkst du. Und dann kann es sein, dass dir für jedes Problem die richtige Lösung einfällt: beispielsweise wie ein Zank mit Livia beizulegen wäre oder warum jemand ermordet wurde. Bevor er wieder einschlief, erinnerte Montalbano sich, dass er mal geträumt hatte, wie Mimi Augello bei einer Observation getötet wurde. Damals, das wusste er noch genau, hatte es an einem halben gebratenen Zicklein mit Kartoffeln gelegen.
    Der erste Mensch, den er im Kommissariat sah, war natürlich Catarella, der sich am Telefon abplagte. »Nein!
    Wie oft soll ich's denn noch sagen? Wir sind nicht das Bestattungsinstitut Cicalone! Wir sind das Kommissariat Vigata persönlich! Nein, Sie haben sich falsch verwählt! Soll ich's Ihnen vielleicht vorsingen?«
    Montalbano glaubte längst, dass sich in Vigata ein paar Vollidioten zu einem Geheimbund zusammengeschlossen hatten und sich ein Vergnügen daraus machten, bei Catarella anzurufen und zu tun, als hätten sie sich verwählt. Doch bei dem Wort >vorsingen< fiel ihm sein Traum wieder ein.
    »Catare, weißt du eigentlich, dass du wunderschön singen kannst?«
    Catarella, der sich wegen des eben beendeten mühsamen Telefongesprächs den Schweiß von der Stirn wischte, sah ihn verdattert an.
    »Reden Sie mit mir persönlich selber, Dottori?«
    »Mit wem denn sonst, Catare? In dem Kabuff hier sind doch nur wir zwei!«
    »Dottori«, sagte Catarella in verschwörerischem Ton und blickte sich um, »haben Sie mich denn zufällig wo singen gehört?«
    »Ja.«
    »Wann denn, Dottori?«, fragte Catarella besorgt. »Heute Nacht.«
    Catarella machte ein entgeistertes Gesicht. »Dottori, aber ich war heute Nacht bei mir in meinem Bett!«
    »Stimmt. Aber ich hab dich im Traum singen hören.« Jetzt sah Catarella nicht mehr verblüfft, sondern ergriffen drein.
    »Meine Güte, Dottori! Ah Dottori Dottori, das ist aber schön, was Sie mir da sagen! Sie träumen in der Nacht von mir!«
    Montalbano war verlegen.
    »Na ja, wir wollen mal nicht übertreiben. das kommt ja nicht jede Nacht vor.«
    »Aber heute Nacht haben Sie von mir geträumt! Und das heißt, dass Sie manchmal auch an mich denken, wenn ich nicht im Dienst bin!«
    Catarella weinte fast vor Rührung.
    »Aber sag mal, warum beunruhigt es dich so, wenn dich jemand singen hört?«, fragte Montalbano, um ihn abzulenken.
    Catarella seufzte tief.
    »Ah Dottori Dottori, Sie müssen wissen, dass ich nämlich Unglück bring, wenn ich sing. Ich sing so falsch, dass die Hunde bellen, wenn sie mich hören. Soll ich Ihnen was erzählen? Ich war mal im Auto von meinem Cousin Pepe, und plötzlich hab ich Lust gehabt zum Singen. Und wie ich den Mund aufgemacht hab, da ist der Pepe so dermaßen erschrocken, dass er geschleudert ist und einen Satz gemacht hat und das Lenkrad rumgerissen hat, und dann sind wir im Graben gelandet. Pepe hat sich saumäßig den Knochen angehauen, der direkt über dem Arsch ist, mit Verlaub. Wie heißt der noch mal? Scheißbein oder so ähnlich.«
    Im Glauben, Mimi würde sich amüsieren, erzählte er ihm den Traum. Aber der machte ein finsteres Gesicht. »Ich glaube an Träume«, sagte er. »Natürlich nicht an alle, aber manche stellen sich hinterher als Vorahnung heraus. Das habe ich erst kürzlich erlebt. Ich träumte, ein Mann würde mich mit seiner Frau im Bett überraschen. Und tatsächlich hat der Hornochse uns vier Tage später fast erwischt, aber mir ist der Traum wieder eingefallen, und so bin ich

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