Die Rache des schönen Geschlechts
dunkel.
»Dottori, jetzt sind alle weg, und da ist keiner mehr zu sehen. Was machen wir jetzt?«, fragte Catarella schüchtern.
»Wir machen es wie die Alten«, antwortete Montalbano, der plötzlich Lust hatte, zu frotzeln und Catarella auf den Arm zu nehmen.
»Was haben die Alten denn gemacht, Dottori?«
»Sich am Bauch gekratzt und ihren Bauchnabel angeguckt.«
Das hatte seine Großmutter immer zu ihm gesagt, als er ein kleiner Junge war. Aber er war nie dahinter gekommen, warum die Alten ihre Zeit damit verbrachten, sich am Bauch zu kratzen und den Bauchnabel anzugucken. Catarella war fassungslos.
»Haben die Alten das echt gemacht, Dottori?«
»Ganz echt.«
Und während Catarella noch über die sonderbaren Bräuche der Altvorderen sinnierte, zündete Montalbano sich eine Zigarette an und behielt dabei die Baustelle im Blick. Nach einer weiteren Viertelstunde war die Baustelle nur noch ein Fleck, der fast genauso dunkel war wie die dunkle mondlose Nacht.
»Gib mir das Handy.«
Catarella gab es ihm, der Commissario rief bei den Carabinieri in Tonnarello an. Verruso war am Apparat.
»Maresciallo, hier ist Montalbano.« »Ich habe gerade im Kommissariat angerufen, aber man sagte mir, Sie seien nicht im Haus, und niemand wusste, wo Sie zu erreichen sind.«
»Ja, ich musste zu.«
»Wollen Sie außer dem, was Ihnen bereits bekannt ist, noch mehr wissen?«
»Ich verstehe nicht. Ich weiß überhaupt nichts, wenn Sie's mir nicht sagen.«
»Ach hören Sie doch auf, Commissario. Als ich ankam, ging die Sonne gerade unter, und ein Strahl fiel genau auf Ihr Fernglas. Soll ich Ihnen sagen, wo Ihr Auto stand?«
»Nein. Gratuliere. Erzählen Sie.«
»Dimora, der Handlanger, der die Morde ausgeführt hat, ist uns entwischt.«
»Wie das?«
»Tja, ich glaube, er ist sofort abgehauen, als er die Sirene hörte. Wir haben in der Baracke seine Kleidung gefunden, er hat sich nicht mal umgezogen, sondern seine Arbeitskluft angelassen. Er ist bestimmt längst über alle Berge.«
»Was sagen seine Kumpane?«
»Im Augenblick noch gar nichts. Aber der Wachmann hat geredet. Und ich glaube, dass 'u zu Cece diesmal Probleme bekommt.«
»Maresciallo, darf ich Sie um etwas bitten?«
»Natürlich, Commissario.«
»Würden Sie den Satz leicht abgewandelt noch mal sagen?«
»Ich verstehe nicht.«
»Würden Sie bitte sagen: Ich glaube, dass 'u zu Cece diesmal verschissen hat?« »Wie Sie meinen«, sagte der Maresciallo schicksalsergeben.
Er wiederholte den Satz, wie er gehörte. Aber er fügte noch hinzu:
»Warum eigentlich?«
»Lieber Maresciallo, Wörter haben für mich ein Gewicht. Und ein schmutziges Wort wiegt am meisten. Das ist alles. Und bitte entschuldigen Sie, dass Sie meinetwegen sprechen mussten, wie es nicht Ihre Art ist. Würden Sie mir noch was sagen?«
»Natürlich.«
»Das Kennzeichen von Dimoras Auto.«
»Wozu brauchen Sie das?«
Er hätte antworten können, dass sein Fernglas nicht so weit reichte. Aber er sagte bloß:
»Nur so.«
Der Maresciallo nannte ihm das Kennzeichen. Und dann fragte er:
»Haben Sie meine private Telefonnummer?«
»Nein. Wozu wollen Sie mir die geben?«
»Nur so.«
Sie verabschiedeten sich voneinander, und Montalbano gab Catarella das Handy zurück.
»Mach du aus, ich schaff das immer nicht. jetzt können wir fahren.«
Er bewegte die Hand zum Zündschloss, als sein Instinkt plötzlich Gestalt annahm. Er wusste nicht, wie er das Phänomen sonst beschreiben sollte: Sein Instinkt flüsterte ihm ein, diesen Ort nicht zu verlassen, und zwar wirkte er psychosomatisch, indem er Bewegungen unmöglich machte oder erschwerte. Montalbano hatte ganz schlaffe
Hände, seine Füße fühlten sich an wie Ricotta und lagen kraftlos auf den Pedalen. Schwitzend schaffte er es gerade noch, den Zündschlüssel umzudrehen, aber der Druck war zu schwach, der Motor gab ein Geräusch wie eine zufriedene Katze von sich und ging wieder aus. »Was ist los, springt er nicht an?«, fragte Catarella, dem die Vorstellung, die Nacht im Auto verbringen zu müssen, gar nicht behagte.
»Ich bin es, der nicht anspringt«, sagte Montalbano. Catarella war von der Antwort ziemlich beeindruckt. »Soll ich jemand anrufen?«
»Wen denn?«
»Puh, keine Ahnung, einen Mechaniker oder einen Doktor, halt jemand, der Ihnen am besten helfen kann.«
»Los, Catare, auf geht's. Ich steige jetzt aus und beobachte mit dem Fernglas die Baustelle.«
»Dottori, aber wenn's so dunkel ist, sehen Sie dann was in der
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