Die Rache des schönen Geschlechts
sich völlig bescheuert vor.
Zufrieden und unzufrieden. Zufrieden, weil er ganz und gar überzeugt war, dass der eingeschlagene Weg richtig war und zum Ziel führte; unzufrieden, weil nicht er diesen Weg gehen würde, sondern jemand anderes. Sei's drum. Es kommt eben vor, dass man Dinge im Leben nicht selber zu Ende bringen kann, sondern im Verborgenen handeln muss, versteckt hinter einem anderen. Wichtig ist, überhaupt ans Ziel zu kommen. Ein magerer Trost? Stimmt, aber immerhin ein Trost. Von guten Vorsätzen beseelt, fuhr Montalbano nicht nach Vigata zurück, sondern blieb in Montelusa und ging in eine Galerie, in der tags zuvor eine Ausstellung von Bruno Caruso eröffnet worden war. Er war hingerissen von einem Frauenkopf und erkundigte sich bei dem Galeristen nach dem Preis, rechnete ewig herum, wie viel Geld er auf dem Konto hatte, und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass diese Radierung, wenn er auf einen Mantel verzichtete, auf den er ein Auge geworfen hatte und der ziemlich teuer war, ihm gehören könnte. Er einigte sich mit dem Galeristen und fuhr dann endlich nach Vigata.
Seine Zufriedenheit erreichte ihren Höhepunkt in der Trattoria San Calogero vor einem Teller mit knusprigen Fischlein, jungen Meerbarben, kleiner als der kleine Finger eines Kindes, gebraten und als Ganzes mit den Händen zu essen. Unzufriedenheit überkam ihn erst, als er auf seinem gewohnten Felsen am Ende der Mole saß, und zwar in Gestalt eines ganz bestimmten Gedankens: Was, wenn der Maresciallo es nicht schaffte? Er verfügte nur über zwei Leute, und die Mörder waren zu dritt und zu allem fähig. Wenn es ihm nicht gelang, sie hinter Gitter zu bringen, und sei es nur für einen Tag, würde der Wachmann nie den Mund aufmachen und gestehen. Und je länger Montalbano darüber nachdachte, desto mieser wurde seine Laune, bis seine Verdauung plötzlich streikte und er grässliches Sodbrennen bekam.
So schaffte er es, in den knapp zwei Stunden, die er im Kommissariat verbrachte, Mimi Augello anzumotzen, mit Fazio zu zanken, sich mit Gallo anzulegen und einen Streit mit Galluzzo vom Zaun zu brechen. Catarella saß verängstigt in seinem Kabuff, und als er vom Commissario gerufen wurde, glaubte er, jetzt sei er dran, und unter seiner Uniform brach ihm der Schweiß aus. »Du kommst in fünf Minuten mit. Such dir jemand, der dich am Telefon vertritt.«
Er ging weg! Der Commissario verpisste sich und reagierte sich woanders ab! Selbst die Möbel im Kommissariat schienen aufzuatmen.
Kapitel 9
Im Auto machte Catarella den Mund nicht auf; er war zu Recht überzeugt, dass sein Chef böse werden würde, ganz egal, was er von sich gab. »Hast du das Telefon dabei?«
Catarella zuckte zusammen, er hatte nicht damit gerechnet, dass der Commissario reden würde.
»Nein, Dottori, ich kann doch das Telefon nicht mitnehmen.«
»Wieso denn nicht?«
»Das kann ich doch nicht einfach einpacken.«
Montalbano krallte die Finger um das Lenkrad, dass die Knöchel weiß anliefen.
»Ich rede von deinem Handy, verdammt noch mal!«
»Ach so! Das hab ich doch immer dabei. Brauchen Sie's?«
»Im Moment nicht. Ich wollte nur wissen, ob du es dabeihast.«
Als sie in die Straße nach Tonnarello einbogen, sagte Montalbano wieder etwas.
»Catare, was wir jetzt tun, muss ein Geheimnis zwischen uns beiden bleiben, niemand darf etwas erfahren.«
Catarella nickte und schniefte.
Der Commissario sah ihn an. Zwei dicke Tränen rollten über Catarellas Gesicht Richtung Mund.
»Was ist, heulst du?«
»Ich bin so gerührt, Dottori.«
»Warum?«
»Dottori, überlegen Sie doch mal! Drei Geheimnisse
haben wir zusammen! Drei! Wie die von der Muttergottes von Fatima! Und jetzt sind wir doch schon mitten in unserem dritten Geheimnis, täten Sie mir da erklären, was es ist?«
»Wir müssen nach etwas schauen, was die Carabinieri machen, ich hoffe auf ein paar Festnahmen.«
Catarella fiel aus allen Wolken.
»Scusasse, Dottori, mit Verlaub, aber uns kann es doch scheißegal sein, was die Carabinieri machen.«
»Ich hab doch gesagt, dass es ein Geheimnis ist, oder?«
»Stimmt«, sagte Catarella, blitzschnell überzeugt. Montalbano hielt nicht auf dem Kamm des Hügels, sondern fuhr noch etwas weiter zu einer Stelle mit ein paar Bäumen, an der sie vor Blicken geschützt waren. Er nahm sein Fernglas aus dem Handschuhfach. Es war klein, ein Opernglas mit Perlmuttüberzug. Montalbano hatte es schon ewig und wusste gar nicht, wie er zu ihm gekommen war. Es erfüllte
Weitere Kostenlose Bücher