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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Nacht?«
    »Nein. Aber wenn der Mann, den die Carabinieri nicht gefunden haben, immer noch auf der Baustelle ist und weg will, muss er irgendwann ein Streichholz oder ein Feuerzeug anmachen. Und dann sehe ich ihn. Eine halbe Stunde passe ich auf und dann du. Wir wechseln uns ab.«
    Schon nach zwanzig Minuten sah er nur noch verschwommen, und überall blitzten Lichter auf wie in der Laurentiusnacht, in der es angeblich so viele Sternschnuppen gibt (er hatte schon seit Jahren keine einzige mehr gesehen). Schließlich war seine Schicht zu Ende. Er setzte sich ins Auto, weil ihm langsam kalt wurde, und zündete sich eine Zigarette an, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass das Aufflackern des Feuerzeugs und das rote Glimmen, wenn er an der
    Zigarette zog, nicht zu sehen waren. Er musste eingenickt sein, denn Catarella weckte ihn auf.
    »Sie sind dran, Dottori.«
    Dann war wieder Catarella dran. Und dann wieder er. Als er sich danach ins Auto setzte, war ihm die Kälte in die Knochen gekrochen. Er zündete sich noch eine Zigarette an und stellte besorgt fest, dass nur noch zwei übrig waren. Montalbano hatte die Zigarette gerade im Aschenbecher ausgedrückt, als er Catarella leise rufen hörte. Er stieg hastig aus. »Hast du was gesehen?«
    »Dottori, es war gleich wieder weg, aber da hat jemand ganz kurz was angemacht.«
    »Bist du sicher?«
    »Ich schwör's, Dottori! Wollen Sie das Fernglas?«
    »Nein, mach du weiter, meine Augen sind müde.«
    »Arre - schon wieder, Dottori«, sagte Catarella plötzlich. »Der hat's schon wieder gemacht, angemacht und ausgemacht. Wenn ich mir nicht irre, geht der zum Ausgang.«
    Er irrte nicht. Dimora musste auf dem Weg zu seinem Auto sein, dem einzigen, das noch dastand. Wie zur Bestätigung seines Gedankens leuchteten die Rücklichter des Wagens kurz auf, und in der Stille war deutlich zu hören, wie der Motor gestartet wurde. »Dottori, der haut ab!«
    »Wir schneiden ihm den Weg ab.«
    Sie sprangen ins Auto, Montalbano ließ den Motor an und fuhr ebenfalls ohne Licht los. Aber nach ein paar Metern blieb er stehen. Dimora hatte nicht den normalen Weg bergauf eingeschlagen, er fuhr sehr mühsam und sehr langsam querfeldein in die entgegengesetzte Richtung und musste immer wieder die Scheinwerfer einschalten, um
    Steinbrocken, Schlaglöchern, Bäumen auszuweichen. »Da braucht er zwanzig Minuten, bis er aus dem Tal draußen ist. Was ist auf der anderen Seite?«
    »Gallotta«, sagte Catarella. »Da muss er durch Gallotta durch, da kommt er nicht drum rum.«
    »Dann empfangen wir ihn eben dort.«
    Sie brauchten keine zwanzig Minuten bis Gallotta, einem Nest mit tausend Einwohnern. Dimora musste, um die richtige Straße zu erreichen, auf der er sich schnell aus dem Staub machen konnte, den Weg über das Dorf nehmen. Im Rückwärtsgang bog Montalbano von der Straße ab und schob sich zwischen zwei Häusern in eine Gasse. Aufs Äußerste angespannt, warteten sie mit eingeschaltetem Motor. Sie warteten und warteten. Drei Lastwagen, ein Porsche und ein dreirädriger Transporter fuhren vorbei. Von Dimoras Auto keine Spur.
    »Vielleicht hat er ein Auto angehalten und sich mitnehmen lassen?«, schlug Catarella zaghaft vor. »Das glaube ich nicht. Wenn er nicht kommt, dann suchen wir ihn eben.«
    Langsam fuhren sie durch die schmalen Straßen von Gallotta, das Auto wirkte wie ein gefährliches Tier, wie eine riesige Kakerlake. Dann kamen sie in eine Straße, die ebenso menschenleer war wie die anderen. Von den zehn Laternen, die sie hätten beleuchten sollen, gingen höchstens fünf. Drei Autos parkten neben dem Bürgersteig. Das hinterste, Montalbano wusste es, als er das Kennzeichen sah, war Dimoras Wagen. Aber er schien leer. War Dimora vielleicht ausgestiegen und hatte sich im Haus eines Freundes versteckt?
    »Hör zu, Catare. Du steigst aus und näherst dich dem letzten Auto von hinten. Vielleicht ist Dimora schon weg. Vielleicht hat er sich auch drin versteckt. Pass auf, er ist
    wahrscheinlich bewaffnet. Ich geb dir Deckung.«
    Catarella stieg aus und öffnete sein Holster. Er näherte sich dem Auto von hinten, war aber auf den Bürgersteig getreten. Jetzt ging er an der Mauer eines baufälligen Hauses entlang, das schwarze Löcher statt Fenster hatte. Und an dieser Stelle hatte die Szene für den Commissario einen leichten Aussetzer, als wenn in einem Film ein paar Einzelbilder fehlten. Der Traum! Heiliger Himmel, das war ja der Traum! Die Wirklichkeit und die geträumten Bilder wichen

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