Die Rache des Stalkers
beste Freundin Maria anzurufen. Möglicherweise hatte sie ja Lust, für zwei Stunden in ihr Lieblingsbistro zu fahren.
Während sie die Kurzwahltaste drückte, schwor sie sich, an diesem Abend kein Auge für andere Männer zu haben. Sie würde die Verabredung einhalten.
Maria meldete sich nach dem dritten Klingeln, war aber gar nicht begeistert von der Idee, spontan auszugehen. Stattdessen schlug sie für den folgenden Tag einen Kneipenabend vor. Obwohl sich Julia vorgenommen hatte, niemandem von ihrem Rendezvous zu erzählen, sprudelte es nun aus ihr heraus und ihre Freundin hörte aufmerksam zu.
»Das ist ja ein Blind Date«, meinte Maria, davon nicht gerade angetan.
»Stimmt«, bestätigte Julia. »Wir haben darauf verzichtet, uns Fotos zu schicken. Ich hoffe, er hat bei der Beschreibung seines Aussehens nicht gelogen.«
»Ich würde mich auf so etwas nicht einlassen.«
»Warum nicht?«
»Er würde dir sicher nicht auf die Nase binden, wie der Glöckner von Notre-Dame auszusehen.«
»Die Hübscheste bin ich auch nicht.«
»Hübscher, als du glaubst. Und da ist noch etwas: Was, wenn er ein Psycho ist?«
»Wie meinst du das?«
»Na, so eine Art Norman Bates.«
Unsicher lachte Julia auf, erschauderte jedoch bei dem Gedanken. Darüber hatte sie nicht nachgedacht. »Quatsch«, murmelte sie.
»Immerhin weißt du nur das über ihn, was er dir am Telefon erzählt hat.«
»Mach mir keine Angst«, sagte Julia. Aber dann schob sie Marias Befürchtung beiseite. »So ein Quatsch! Selbst wenn er ein Psycho wäre, könnte er mir niemals etwas antun. Die Polizei würde ihm sofort auf die Spur kommen. Ich kenne seine Handynummer und ich kenne seine Adress–« plötzlich hielt sie inne.
»Was ist?«, erkundigte sich ihre Freundin.
»Eigentlich kenne ich seine Adresse gar nicht. Er hat ein Postfach. Beim ersten Telefonat habe ich ihn darauf angesprochen. Er meinte, in seinem Haus verschwinde ständig die Post, deswegen lasse er sich alles ans Postfach schicken.«
»Wem hast du von diesem Date erzählt?«
»Nur dir.«
»Du bist verrückt!«
Julia schwankte in ihrer Meinung. Maria war zwar übertrieben ängstlich, doch was, wenn ihre Sorgen berechtigt waren? »Ich könnte dir ja seinen Namen, die Postfachanschrift und die Telefonnummer geben.«
»Das bringt dir nichts, falls er über dich herfällt.«
»Dann rächst du mich!« Julia versuchte zu lachen, ohne dass es ihr richtig gelang. »Ach, was soll’s? Ich habe morgen einen schönen Abend und das war’s.«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Aber gib mir wenigstens seinen Namen und den ganzen Rest.«
Fast hätte Julia Marias Vorschlag – der eigentlich ihr eigener war – unwirsch abgelehnt. Nach kurzem Überlegen nannte sie ihrer Freundin dann aber doch die ihr bekannten Daten.
»Verzichtest du auf deinen Horrortrip, wenn ich mich breitschlagen lasse, heute mit dir auszugehen, und wir zwei nette Typen kennenlernen?«, fragte Maria.
»Ich bin in einer halben Stunde bei dir.«
7
Zu Anjas Überraschung hatte ihnen ihr Chef sechzehn Beamte zur Verfügung gestellt. Ihre bisherigen Erkenntnisse – unter anderem hatten sie auch Zanders damaliges Opfer aufgesucht und viel über seine wesentlichen Charakterzüge erfahren – waren überzeugend gewesen und Wagner übertrug ihnen die Verantwortung für eine Überwachungsaktion. Deswegen waren die Kollegen instruiert, Anja über jeden noch so kleinen Schritt Zanders in Kenntnis zu setzen. Außerdem hatte sie sich mit Nadine geeinigt, täglich im Wechsel nach Dienstschluss von Zuhause aus die Koordination zu übernehmen, wobei Anja für den ersten Abend eingeteilt war.
Die sechzehn Beamten waren auf drei Schichten verteilt: In der Zeit von zwanzig Uhr bis vier Uhr morgens passten acht Polizisten auf, dass Zander keiner Frau mehr habhaft werden konnte. Ein größeres Team hatte den Vorteil, unauffälliger agieren zu können. Nachts und auf leeren Straßen fielen Verfolger schneller auf, sodass es erforderlich war, sie regelmäßig auszutauschen. Die übrigen Kollegen überwachten ihn in zwei Gruppen jeweils von vier Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags und von zwölf bis zwanzig Uhr.
Anja hoffte, Zander bei einem Entführungsversuch stellen zu können oder zumindest eine Spur geliefert zu bekommen, wo die Leichen versteckt waren. Aber die Kommissarin war sich im Klaren, Geduld aufbringen zu müssen. Wagner hatte die zusätzlichen Beamten vorläufig für zehn Tage bewilligt.
Sie ging in die Küche und machte sich
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