Die Rache des Stalkers
Panisch versteckte er sich.
***
»Das war ein schöner Abend«, sagte Michaela und drückte die Hand ihres Freundes. »Ich hoffe, du hattest auch ein wenig Spaß.«
»Klar«, entgegnete Thomas, während er mit Grauen an den in fünf Stunden klingelnden Wecker dachte. Niemals hätte er vermutet, dass sich ihre Verabredung mit Michaelas Freundinnen so in die Länge ziehen würde.
»Ich glaube, sie waren ganz schön beeindruckt von dir«, kicherte Michaela. »Komm, lass uns die Abkürzung über den Parkplatz nehmen.«
Thomas schaute sich um. »Den kenne ich gar nicht«, meinte er. »Sind das vermietete Stellflächen?«
»Nein«, antwortete Michaela. »Die Stelle kannst du dir ruhig merken. Hier darf jeder parken.«
***
Der Mann spähte um die Ecke. Das Pärchen hatte offenbar nichts bemerkt. Erleichtert wandte er sich wieder den Müllcontainern zu. Beim dritten hatte er Glück. Er eilte zu dem Auto und legte sich die Leiche über die Schulter. Unter der schweren Last taumelnd, erreichte er den Abfallbehälter und warf die Leiche hinein. Erneut kontrollierte er die Umgebung. Weder näherten sich ihm andere Passanten, noch blickte jemand aus einem der Fenster. Er verteilte einige der weggeworfenen Tüten auf sein Opfer, bis ihn der Gestank anwiderte und er sich davonmachte.
10
Seufzend entglitt Anja der Umklammerung des Schlafes. Sie drehte sich zur Seite und schaute auf die Uhr. Es war erst Viertel nach sechs. Während sie sich herumwälzte, erinnerte sie sich an den vorigen Abend.
Durch diese Gedanken war ihr jedoch die innere Ruhe genommen, um wieder einzuschlafen. Nach wie vor galt es, weitere Hinweise zu finden, die Zander mit den Morden in Verbindung brachten.
Also schlug sie die Decke zurück und schwang die Beine auf den Boden. Sie stützte ihre Ellenbogen auf die Knie, vergrub ihr Gesicht in den Händen und dachte an Franks unwürdiges Verhalten.
»Was für ein Armleuchter!«, murmelte sie, als sie sich die Augen rieb. Vom Bett aus ging sie zum dreiteiligen Kleiderschrank, in dessen Mitte ein mannshoher Spiegel eingelassen war. Erschrocken stellte sie fest, wie gerädert sie aussah. Vielleicht half ausgedehntes Duschen gegen ihren Zombielook.
Eine knappe Stunde später tauchte sie in dem noch ruhigen Präsidium auf. Die hektische Betriebsamkeit setzte meist erst ab acht Uhr ein. So konnte sie sich in Ruhe mit Zanders Laptop beschäftigen.
Anja klappte den Computer auf und startete ihn. Der Desktop zeigte ihr nur wenige Programmsymbole an. Neben einigen Standards wie dem Papierkorb gab es das Logo eines Internetproviders, ein E-Mail-Programm, eine Software zum Abspielen von Filmen und ein Textverarbeitungsprogramm. Die Kommissarin klickte auf die Multimediasoftware, ohne einen auf der Festplatte gespeicherten Film zu finden. Danach rief Anja das Textverarbeitungsprogramm auf und überflog die Dokumente. Hinweise auf ein mörderisches Treiben entdeckte sie nicht. Gerade als sie das E-Mail-Programm öffnete, klingelte das Telefon.
»Wagner hier. Guten Morgen. Ich habe gehört, gestern Nacht hat sich noch einiges ereignet. Kommen Sie kurz in mein Büro?«
Nachdem sie für den Erfolg der Überwachungsaktion gelobt worden war, kehrte Anja an den Laptop zurück. Sie wählte den Bereich ›Gesendete Objekte‹. In den letzten Monaten hatte Zander ausschließlich mit einer Person kommuniziert, die den Nickname Altermann nutzte. Zander nannte sich in seinen Texten Picasso , was sie sofort an den Kunstdruck in seiner Wohnung denken ließ. Anschließend rief sie den Posteingang auf. Auch hier bot sich das gleiche Bild: Nahezu alle Nachrichten waren von diesem Altermann. Allerdings war Picasso entweder der fleißigere Schreiber oder er hatte nicht alle Mails gespeichert. Auf zwei Botschaften von ihm kam maximal eine von Altermann.
Anja öffnete Picassos letzte geschriebene E-Mail.
Hallo Altermann,
ich habe Neues zu berichten. Es war wieder einmal unbeschreiblich schön. Zumindest für mich.
Ich habe sie in einer dieser Kneipen getroffen, die sie so gern bevölkern. Zum ersten Mal musste ich den gleichen Ort zweimal aufsuchen, weil ich am Abend vorher abgeblitzt war, obwohl ich den Fisch eigentlich am Haken wähnte. Doch die zweite Frau gefiel mir ohnehin besser. Sie kokettierte noch mehr mit ihrer gerade erwachten Sexualität. Du hättest sehen müssen, wie nuttig sie angezogen war, mit ihrem kurzen Rock und einem Trägershirt, das mehr enthüllte als verbarg. Natürlich war sie von Männern – nein, von
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