Die Rache ist Dein
ihrer Rettung beigetragen hatte. Aber als er das Zimmer verließ, war es, als hätte es ihn nie gegeben. Sie dachte nur selten an ihn, wußte, daß da bisher keine tieferen Gefühle waren — wenn es sie je geben würde. (Spürte er das auch?) Wie auch immer die Beziehung aussah, die Romanze des Jahrhunderts war sie auf jeden Fall nicht. Ein bißchen traurig, wenn sie es recht bedachte. Traurig, aber nicht tragisch.
Tragisch war der gezielte Ruin und Tod von Armand Crayton, geplant von Bartholomew und ausgeführt von Tropper, nur weil Crayton sich mit Dexters Frau eingelassen hatte. Tragisch war das Unrechr, das Tropper ihr angetan hatte. Das Ende einer kurzen, wenn auch genüßlichen , Bettgeschichte mit einem gutaussehenden Mann, dessen Selbstwettgefühl davon abhing, mit wie vielen jungen Frauen er ins Bett stieg, konnte man nicht als tragisch bezeichnen.
Cindy schloß die Augen. Sie wußte, daß sie Oliver Unrecht tat, aber im Moment war sie zu erledigt , um fair zu sein. Cindy erkannte, das Wut kein förderliches Gefühl ist. Wenn die Wut lange anhielt , wurde sie zu roher, nackter Böswilligkeit. Aber im Moment war das wesentlich besser, als in Depression zu verfallen.
Eine Schwester kam herein, lächelte, als sie sah, daß Decker die Hand seiner Tochter hielt. »Ach, wie süß!« säuselte sie. »Hat das Mädchen ein Glück!«
Wie gut, daß Cindy nicht sprechen konnte. Sie traute ihrem Mund nicht, bei den Gedanken, die sie hegte.
Die Schwester, deren Namensschild sie als M. Villa auswies, sagte, es sei Zeit für die Schmerzmittel. Decker küßte die Hand seiner Tochter. »Das wird dir sicher guttun, Liebling!« Selbst Dad klang bescheuert. Aber sie drückte seine Hand, um ihm zu zeigen, daß sie ihn liebte. Die Schwester spritzte etwas in Cindys Tropf. Bald darauf fühlte sich Cindy warm und benommen. Augenblicke später kam Rina ins Zimmer, einen Stapel Zeitschriften im Arm. Ohne viel Getue legte sie sie auf Cindys Nachttisch. »Ich hab dir Gartenzeitschriften gebracht, weil da Bilder drin sind. Ich dachte, du hast vielleicht keine Lust auf Fernsehen und bist zu kaputt zum Lesen.« Sie sah Cindy ins Gesicht. »Sieh dir das an. Die Schrammen verschorfen ja schon.«
»Sieht es schlimm aus?« murmelte Cindy. »Was?« fragte Decker.
»Sie hat gefragt, ob es schlimm aussieht«, übersetzte Rina. »Na ja, die Kratzer im Gesicht scheinen nicht sehr tief zu sein. Ich würde sagen, in ein paar Wochen sind sie verheilt. Was dann noch übrig ist, kannst du mit Make-up überdecken.« Cindy nickte.
»Das wird wieder. Schau einfach nicht in den Spiegel«, fuhr Rina fort. »Das ist wie das Wiegen nach einer Schwangerschaft. Hannah hat dir Bilder gemalt. Soll ich sie aufhängen?« Cindy nickte. »Gib ihr die Teddybären.«
»Welche Teddybären?« Rina sah sich um. »Ach, die. Später. Behalt du sie erst mal. Wenn Hannah dich besucht, kann sie damit spielen. Wo ist deine Mutter?«
»Jan ist in der Cafeteria«, sagte Decker. »Warum?«
»Nichts für ungut, aber ich bin wahrscheinlich die letzte, die sie sehen will. Mir geht es vor allem darum, daß Cindy Ruhe hat.« Wieder sah sie Cindy an. »Ich kann es kaum fassen, wie schnell du heilst. Das scheint ja fast stündlich zu gehen. Die Jungs wollten dich heute abend besuchen. Ich hab ihnen gesagt, sie sollen noch ein paar Tage warten.«
Wieder nickte Cindy. Das Schmerzmittel machte sie duselig und sehr glücklich — die Freuden von Demerol.
»Hannah ist allerdings was anderes. Kinder sind nicht zimperlich.« Rina wandte sich an Decker. »Erinnerst du dich, als meine Mutter vor drei Jahren Gürtelrose hatte? Die ganze linke Seite ihres Gesichts war geschwollen und rot. Hannah ging einfach zu ihr, küßte sie auf die gesunde Seite und sagte: >Lies mir was vor, Oma.< Sie war noch nicht mal höflich, wollte nur, daß sie ihr vorlas. Hat sich überhaupt nicht um die Gefühle oder das Gesicht meiner Mutter gekümmert.« Rina lachte. »Wenn du sie sehen willst, bringe ich sie für ein paar Minuten mit. Länger nicht, weil dich das zu sehr ermüdet.«
»Bring sie mit«, sagte Cindy.
»Okay.« Rina stand auf. »Ich geh jetzt wieder.« Sie küßte Cindy auf die Stirn. »Bis später. Schlaf gut.«
Cindy nickte. »Ich bin müde.«
Decker erhob sich. »Ich bring dich zum Fahrstuhl.« Er wartete, bis sie einige Meter vom Zimmer entfernt waren. Dann flüsterte er seiner Frau zu: »Wie um alles in der Welt kannst du sie verstehen?«
»Wegen der Kinder«, erwiderte Rina
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