Die Rache ist Dein
sieht man es erst recht nichts.«
»Du bist der einzige auf dem gesamten Revier, der es sich leisten kann, ausgebeulte braune Anzüge zu tragen«, sagte Oliver. »Die sind so unmodern, daß sie schon wieder modisch sind.« Decker lächelte. »Da siehst du's. Ein echter Trendsetter.«
Oliver sah von seinen Unterlagen auf. Decker hatte den Schreibtisch voller Familienfotos stehen — Cindy, seine Stiefsöhne, mehrere Bilder von seiner Frau Rina. Sie standen so, daß Oliver sie sehen konnte, und sie waren ihm vorher nie aufgefallen. Kaffeeduft stieg ihm in die Nase. Sein Magen knurrte. Seine Tasse stand draußen auf seinem Schreibtisch. Er griff nach Marges Tasse, nahm einen Schluck, verzog das Gesicht. »Bah, was hast du denn da rein getan?«
»Wieso? Süßstoff und ...«
»Wie kannst du so was trinken?«
»Oliver, das ist mein Kaffee.« Decker lächelte. »Nimm meinen, Scotty. Der ist schwarz. Zwar lauwarm, aber ohne was drin.«
»Ich hol mir selbst einen, danke.« Er stand auf und griff nach Deckers Becher. »Wenn ich schon gehe, kann ich dir auch frischen mitbringen.« Sein Blick wanderte zu Marge. »Möchtest du noch was von deinem Chemiezeug?«
»Wenn er einen kriegt, krieg ich auch einen.« Sie reichte ihm ihre Tasse. »Zwei Kaffeeweißer, ein Süßstoff. Sag ja nichts.«
Er machte das Friedenszeichen. »Bin gleich wieder da.« Die Becher in der Hand, ging er zu seinem Schreibtisch, um seinen zu holen. In dem Moment klingelte das Telefon. Er stellte die Becher ab, griff nach dem Hörer. »Oliver.«
»Hi.«
Kurzes Zögern. »Hi.« Natürlich hatte er ihre Stimme erkannt. »Wie geht's dir?«
»Ich bin froh, wenn der Tag vorbei ist.«
»Was machst du?« Oliver sah auf seine Armbanduhr. Halb elf. »Viel zu früh fürs Mittagessen.«
»Code sieben — Zehn-Minuten-Pause.«
»Ah, Donuts und Kaffee.«
»Nur Kaffee«, verbesserte Cindy. »Hier achten alle auf ihr Gewicht.« Schweigen. »Stör ich dich?«
»Ein bißchen.« Oliver sah über die Schulter zu Deckers Tür. Sie war nach wie vor geschlossen. Dann fragte er sich, warum er so besorgt war. »Was ist?«
»Ich mach's kurz. Wollte mich nur richtig bei dir bedanken. Das hab ich gestern abend in meinem Tran nämlich vergessen, glaub ich.«
»Vergiß es ... «
»Nein, tu ich nicht; ich werde daraus lernen. Es ist mir peinlich, Scott. Nicht so sehr, daß ich betrunken war, sondern daß ich fahren wollte. Das war wirklich dämlich. Mehr als das, es war gefährlich.«
»Ja, stimmt.«
Sie lachte. »Wenigstens bist du ehrlich. Na gut, es wird nicht wieder vorkommen.«
»Das passiert uns allen mal«, sagte Oliver sanft. »Wenn du daraus lernst, bist du schon einen Schritt weiter.«
»Also danke schön fürs Retten. Wiedersehen.«
»Hör mal, hast du ... Ach, nichts.«
»Würdest du bitte den Satz beenden?« verlangte Cindy. »Hab ich ... was?«
Wieder schaute Oliver über die Schulter. »Vielleicht sollten wir bei einer Tasse Kaffee darüber reden. Ich kenne immer noch eine Menge Burschen drüben in Hollywood. Ich könnte dir einiges erzählen.«
»Was denn?«
»Dich aufklären.«
»Uber die Jungs ... « Pause. »Oder über mich?«
»Vielleicht beides.«
Cindy seufzte. »Laß nur, Oliver. Beaudry hat mir meine Mängel schon klargemacht. Offenbar sind es viele.«
»Hat er auch deine guten Seiten erwähnt?«
»Er sucht noch danach.« Ein paar Sekunden vergingen. »Gibt es denn welche?«
Als Oliver sich erneut umschaute, hatte Marge die Tür geöffnet, machte ihm Zeichen — »was ist?« Er hielt einen Finger hoch — »noch eine Minute« - und flüsterte: »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Hör zu, du hast um drei Feierabend, ich um fünf. Ich komm rüber. Um sieben? Wie wär's mit >Musso and Frank«
»Ein bißchen zu teuer für meinen Geldbeutel, Oliver.«
»Ich lad dich ein.« Marge winkte ungeduldig. »Ich muß Schluß machen. Dein Vater braucht meine klugen Einsichten.«
»Grüß ihn ja nicht von mir.«
»Herzchen, ich hab nicht vor, deinen Namen zu erwähnen.«
7
Es war wenig los, und der Verkehr hätte fließen müssen, weil hier 60 erlaubt war. Der Stau wurde durch einen Laster verursacht, der nicht nur kroch, sondern auch noch Schlangenlinien fuhr. Eine uralte Kiste, ein Riesending. Das hintere Rücklicht war eingedrückt, das Nummernschild abgelaufen und aus dem Auspuff kam dicker Qualm. Beaudry gab das Kennzeichen in den Computer ein. Eine Minute später erschienen die entsprechenden Daten und der Name des Besitzers auf
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