Die Rache ist Dein
nicht dabei oder Sie haben überhaupt keinen?« Die grammatikalischen Feinheiten kamen bei ihm nicht an. »Hab nich.«
»Dann haben wir ein Problem.« Cindy bückte sich, hievte seine mit Farbe bespritzen riesigen Schuhe in den Wagen und schloß die Tür. »Officer Beaudry«, rief sie. »Ich hab ihn im Auto. Wir können los.«
»Komme.« Als Beaudry sich in Bewegung setzte, tappte der andere Russe ihm hinterher. Beaudry drehte sich um. »Nein, Sie bleiben hier.« Er deutete auf den klapprigen Laster. »Setzen Sie sich rein. Besorgen Sie einen Anwalt für Ihren Freund.« Beaudry ahmte ein Telefongespräch nach, zeigte dann auf Petrukievich. »Holen Sie Hilfe für Ihren Freund. Er kommt ins Gefängnis.« Ein verblüffter Blick. »Gefängnis?«
»Ja, genau.«
Cindy beobachtete Beaudry, der eine Gefängnisszene vorzuspielen versuchte.
»Ah!« Anatols betrunkener Kumpel lächelte, stieg in den Laster, lehnte sich zurück und schloß die Augen. Offenbar wollte er ein Nickerchen halten. »Verhaften wir den auch?« fragte Cindy.
»Mit welcher Begründung?« gab Beaudry zurück. »Weil er schläft? Komm, fahren wir.«
Cindy ließ den Wagen an, griff nach dem Automatikschalthebel. Etwas klebte an ihrer Hand. Ein gelber Merkzettel. Sie pulte ihn von ihrer verschwitzten Handfläche. »Nicht vergessen« stand drauf , mit schwarzem Filzschreiber geschrieben. Ihr Schweiß hatte die Worte verwischt. Sie zeigte Beaudry den Zettel. »Hast du den hier hingeklebt?«
Er sah ihn sich an. »Nein.«
»Ich auch nicht.«
Beaudry zuckte die Schultern.
»Wie ist er dann hierhergekommen?« fragte Cindy.
»Bei dem wenigen Verkehr hat er bestimmt den Freeway genommen ... «
»Ich meine es ernst.«
»Wie zum Teufel soll ich das wissen, Decker? Vielleicht hast du ihn selber hingeklebt und vergessen.« Er grinste. »Damit du es nicht vergißt.«
»Sehr witzig.«
»Vielleicht waren es aber auch die Jungs von der Werkstatt.«
»Dann hätte ich ihn schon beim Losfahren bemerkt. Spätestens, als ich Mr. Petrukievich angehalten habe. Bist du sicher, daß du es nicht warst?«
»Ja. An so was würde ich mich erinnern.«
Cindy war verstört, aber sie sagte nichts mehr, starrte nur den Zettel an.
Beaudry wurde ungeduldig. »Decker, es ist schon spät. Ich bin müde. Laß es gut sein. Fahr endlich los.«
Sie zerknüllte die geheimnisvolle Botschaft, löste die Handbremse und fuhr los. Beaudry meldete über Funk die Verhaftung und ihre geschätzte Ankunftszeit im Revier.
Nicht vergessen.
Cindy versuchte, nicht mehr daran zu denken. »Was meinst du, wie lange werden wir mit unserem Freund brauchen?«
»Was liegt gegen ihn vor?«
»Rücksichtsloses Fahren, Alkohol am Steuer, ein Blutalkoholspiegel von 2,5 Promille und Fahren ohne Führerschein.«
»Vielleicht eine Stunde.«
»Jessas!«
»Warum? Hast du was vor?«
»Ja, aber erst später.«
»Hoffentlich bist du nicht unter Zeitdruck«, sagte Beaudry, »weil wir ihn nämlich nach Parker Center oder auf ein anderes Revier bringen müssen, wenn unsere Ausnüchterungszelle voll ist. Das dauert natürlich.«
»Es ist erst Viertel nach drei, Graham. Wie viele Besoffene können um die Zeit schon in der Zelle sein?«
»Viele hängen einfach nur rum, Cindy. Für die fängt die Cocktailstunde schon morgens an.« Eingewickelt in ein weißes Badetuch, begutachtete Cindy ihren Kleiderschrank. Für was Leichtes war es noch zu früh im Jahr. Aber dicke Wolle war auch nicht mehr angesagt. Damit blieben ihr verschiedene Möglichkeiten.
Erstens: Ihr ärmelloses schwarzes Gabardinekleid. Geeignet für eine Einladung zum Essen, aber zu sexy für einen beruflichen Termin mit einem Vorgesetzten, noch dazu mit einem Mann, der mit ihrem Vater zusammenarbeitete. Gut, sie könnte ihren schwarzen Blazer dazu tragen, das würde die Sache abmildern. Aber das Jackett war eher blauschwarz, während das Kleid mehr ins Grünliche schimmerte. Sie würde nie begreifen, warum Schwarz so viele verschiedene Schattierungen hatte. Zweitens: Ein olivfarbenes Hemdblusenkleid, das toll zu ihrem roten Haar aussah. Aber der Schnitt war militärisch; es hatte sogar Schulterklappen. Für dieses Kleid mußte sie in der richtigen Stimmung sein. Und das war sie nicht.
Drittens - die letzte Möglichkeit: Ein einreihiger, marineblauer Hosenanzug. Gut geschnitten um die Hüften, am Hintern nicht zu eng, kein tiefer Ausschnitt. Sehr geschäftsmäßig, damit keiner auf dumme Gedanken kam. Vielleicht sogar ein bißchen zu steif. Was
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