Die Rache ist Dein
Umrisse und Schatten in schwarz und stahlgrau. Vorsichtig öffnete sie die Tür, schloß von außen ab, ging zu ihrem Auto. Obwohl der arme Saturn einiges durchgestanden hatte, sprang er nach kurzem Stottern an. Wieder vergewisserte sie sich, daß ihr Revolver in der Handtasche war. Sie holperte hinüber zu Buy Rite Drugs, ließ den Blick ständig zwischen der Straße und dem Rückspiegel hin und her wandern. Der Parkplatz vor dem Geschäft war fast leer. Drinnen kam sie sich vor wie in einer Geisterstadt: leere, lange, hell erleuchtete Gänge mit spiegelblankem Linoleum. Die Neonröhren summten. Als sie an den rezeptfreien Medikamenten vorbei kam, sah sie eine aufgelöste Mutter, die einen großen Vorrat an Kinderzäpfchen einkaufte. Gleich darauf fiel ihr ein Typ mit schmierigem Haar und dürren Armen auf, der ungeschickt einen Karton Papiertaschentücher und ein Dutzend Schokoriegel umklammerte. Cindy ging hinüber zu den Büroartikeln, warf ein Paket liniertes Papier, einen Beutel Bleistifte, einen Beutel Filzschreiber, eine Schachtel Büroklammern, zwei Päckchen Merkzettel, zwei Bleistiftspitzer, einen gelben Marker und ein Ringbuch in den Einkaufswagen. Wo sie schon mal hier war, nahm sie auch gleich Milch, Eier, Margarine, Orangensaft, zwei Kartons neapolitanisches Eis, eine Packung Cornflakes, eine Tüte Zucker und eine Flasche Pfannkuchensirup mit, den sie wahrscheinlich nie benutzen würde. Wenn schon Sirup, warum dann nicht auch eine Teigmischung für Pfannkuchen? Und dazu gehörten natürlich Blaubeeren, denn was konnte einen fröhlicher stimmen als Blaubeerpfannkuchen, Orangensaft und frischer Kaffee? Was sie daran erinnerte, daß sie Kaffee brauchte, da sie den letzten vor vier Stunden verbrauchte hatte. Gegen zehn vor sechs bezahlte sie ihre Einkäufe und ging zum Parkplatz. Es war noch dunkel, aber die Morgendämmerung war nicht mehr weit, der Horizont war bereits purpurfarben und rosa eingefärbt. Alles war so still und frisch. Es konnte nur besser werden!
Nachdem sie bei Starbucks Kaffee und ein frisches Croissant gekauft hatte, machte sie sich auf den Heimweg, merkte, daß ihr Herz schneller schlug, je näher sie ihrer Wohnung kam. Als sie sich die Treppe hinaufschleppte, spürte sie einen regelrechten Adrenalinstoß - Herzklopfen, schmerzender Kopf, die Hände feucht und zitternd. Sie war in höchster Alarmbereitschaft und konnte das Zittern nicht unterdrücken.
Obwohl sie ihren Revolver zog, war das nur Show. So, wie sie zitterte, hätte sie nicht mal einen Wal auf drei Meter Entfernung getroffen. Trotzdem gelang es ihr, den Schlüssel ins Schloß zu stecken und die Tür zu öffnen. Immer noch mit gezogener Waffe, schob sie die Einkaufstüten mit dem Fuß nach drinnen. Noch ein Schubser, und sie war in der Wohnung, mitsamt der Einkäufe. Sie schob den Riegel vor, senkte die Waffe, sank zu Boden, den Kopf zwischen den Händen, die Augen fest zusammengekniffen, damit die Tränen nicht liefen. Tief durchatmen!
Schon besser. Mach was ganz Normales! Etwas so Alltägliches, daß selbst ein dressierter Affe es tun könnte!
Cindy steckte die Waffe wieder in die Handtasche, stand auf, griff nach ihren Tüten und packte sie aus. Als ihr Kühlschrank voller wurde, faßte sie Mut. Sie beschloß, das Croissant zu vergessen und Pfannkuchen zu machen. Ihre Suche nach der Rührschüssel wurde von einem leisen Klopfen gestört. Sofort raste ihr Puls wieder los. Die Vernunft sagte ihr, daß es ein Freund war, denn Einbrecher kündigen sich nicht an. Trotzdem, raus mit der Waffe. Ein Blick durch den Türspion; da stand Scott mit einer großen Tüte. Sie ließ ihn rein, warf aber einen betonten Blick auf die Uhr. »Der Imbiß für Frühaufsteher ist einen Block weiter. So viel Cholesterin und Ptomain, wie du runterkriegst, und alles für zweineunundneunzig.«
»So verlockend das klingt, ich hab mich dagegen entschieden.« Oliver hielt die Tüte hoch. »Ich hab frische Brötchen, Butter, Erdbeermarmelade, Grapefruitsaft, Kaffee und eine Kaffeemühle mitgebracht.« Er grinste. »Typische Yuppikost!« Noch ein Blick und er bemerkte den Revolver in ihrer zitternden Hand. »Du kannst die Kanone wegstecken. Ich verspreche, daß ich mich gut benehmen werde.«
Cindy lächelte unter Tränen. »Danke.«
Oliver stellte seine Mitbringsel auf die Arbeitsplatte, sah ihre leeren Einkaufstüten. »Wir hatten wohl dieselbe Idee. Wo warst du einkaufen?«
»Bei Buy Rite Drugs. Ich hab Pfannkuchenteig gekauft. Für
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