Die Rache. Thriller.
erinnerte sich, wie er »guck mal, wo ist der Papa« erst mit den Zwillingen und später mit Tommy mit einer riesigen Geduld gespielt hatte. Mit Mühe hielt sie die Tränen zurück.
»Es war wie ein Traum, letzte Nacht. So ganz allein in der Bank. Wie ich das ganze Geld in den Aktenkoffer stopfte.« Er blickte eine Weile angestrengt nach oben und fuhr fort: »Mir ist, als ob in mir etwas zerbrochen wäre, in zwei Teile.« Er überlegte einen Moment und sagte dann:
»Ich habe das Gefühl, als ob ich mein Handeln durch einen Monolog über Opfer und veränderte Umstände, Pflicht und Zuneigung rechtfertigen müsse. Aber das kann ich gar nicht. Ich will nur, daß das Telefon endlich klingelt.«
Megan antwortete nicht. Wortlos saßen die beiden da, warfen ab und zu einen Blick nach draußen, wo es langsam dunkel wurde, und ihnen war, als ob mit dem letzten Licht des Tages auch ihre Hoffnung verschwände.
Olivia Barrow sah auf Richter Pearson und seinen Enkel hinunter und sagte: »Ich würde mich ja gerne entschuldigen und sagen, es tut mir leid, daß ich nicht anders konnte, aber Sie würden mir sowieso nicht glauben. So lasse ich’s besser gleich.«
Pearson sah Olivia nur wütend an. Seine Hände waren vorne zusammengebunden und mit einem zweiten Strick an den Fußgelenken festgemacht. Er fühlte, wie seine Glieder immer steifer wurden. Tommy saß neben ihm, ebenso gefesselt.
Olivia hielt weißes Klebeband in die Höhe.
»Damit kann ich Ihnen noch den Mund zumachen, Richter.«
»Das ist nicht notwendig«, antwortete Pearson schnell, ein wenig zu schnell. Und er wünschte, er hätte diese Worte nicht gesagt.
Olivia schnitt einen Streifen von der Rolle ab. Dann hielt sie es über den eigenen Mund. »Oh, das riecht aber unangenehm. Nicht gerade sehr luftig.«
»Sie brauchen das nicht, wir bleiben auch so ganz still«, sagte Pearson.
Olivia grinste. »Geben Sie mir Ihr Wort als Richter darauf?«
Er nickte.
»Und du, Tommy? Schwörst du bei deiner Pfadfinderehre?« Tommy nickte und rückte dicht an seinen Großvater heran.
»Na gut«, sagte Olivia. »Da seht ihr mal, so ein Un-mensch bin ich doch gar nicht.« Sie formte den Streifen zu einem Knäuel und warf ihn in die Ecke. »Es wäre doch jammerschade, wenn einer von euch beiden geknebelt würde und ersticken müßte. Daß ich hier reinkäme und einer wäre tot! Und das so kurz, bevor alles vorbei ist.
Jetzt, wo wir schon so weit gekommen sind - nicht wahr, Richter?«
Er nickte zustimmend.
»Besonders du, Tommy. Ich habe nicht vergessen, was du für flinke kleine Füße hast, wie ein Häschen. Im Gefängnis gab es immer Leute, die was von einem Kaninchen in sich hatten. Ein guter Ausdruck, er trifft es genau. Solche Menschen möchten noch mehr als andere entkommen, wenn sie gefangen sind.«
Sie sah Tommy an: »Kein Kaninchen mehr, klar?«
»Nein«, sagte Tommy. »Versprochen.«
Olivia lächelte.
»Ich glaube dir keine Sekunde.«
Grinsend sagte sie: »Also, paß auf, daß du nicht alles verdirbst. Vergiß nicht, du bist schon bald zu Hause.«
»Heißt das, daß Sie Ihr verflixtes Geld kriegen und wir nach Hause können?«
»So ungefähr, Richter. Unser lieber Duncan muß noch durch ein paar Reifen springen, und dann ist die Show zu Ende. Na, Tommy, geht es dir jetzt besser?«
»Ich will nach Hause«, sagte der Junge nur.
Olivias gezwungen-freundliches Lächeln erlosch. »Das brauchst du mir nicht immer wieder zu sagen, du kleiner Bengel!«
Tommy zitterte. Aber Olivia setzte wieder ihr gönnerhaftes Gesicht auf. »Gut, es ist Zeit zu gehen. Ihr beiden bleibt ganz lieb und still hier sitzen. Bald sind wir zurück, und dann kommt die Stunde des feierlichen Abschieds!«
Der Richter gab keine Antwort. Tommy sah Olivia unverwandt an. Sie meint gar nicht, was sie sagt, dachte er.
Er war so überrascht von dieser Einsicht, daß er Olivia mit großen Augen anstarrte. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie von dem Blick des Jungen betroffen.
Schnell wandte sie sich ab, warf die Türe zu und schloß zweimal ab. Dann prüfte sie das Schloß. Sie lief die Treppe hinunter und fühlte einen Augenblick, wie sie Unruhe überkam. Der Blick des Richters verriet so etwas wie Hoffnung. Aber sie hatte ihn von Anfang an beherrscht und wußte genau, wie er jeweils reagieren würde.
Aber der Junge hatte jede ihrer Lügen durchschaut.
Unschuld ist das Gefährlichste, was es gibt, dachte sie.
Auf dem Boden lag eine Tasche. Sie hob sie auf, öffnete den
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