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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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stimmte.
    Der Richter streckte sich auf dem Feldbett aus, kroch unter die Decke und krümmte sich zusammen. Es ist kalt, dachte er. Heute nacht wird es frieren, und bald fällt Schnee. Es ist kalt hier drin, das kommt wohl daher, daß die Wände dünn sind und kalte Luft durch diese eine Stelle hereinströmt, die ich nicht vergessen darf.
    Er fragte sich, was für eine Art Haus es sein mochte.
    Wahrscheinlich ein altes Farmhaus, zweistöckig in der Mitte und mit Flügeln an beiden Seiten.
    Und wahrscheinlich einsam in den verdammten Wäldern gelegen, ohne Nachbarn und ohne Verkehr, sagte er sich wütend.
    Nun, dachte er und holte tief Luft, warten wir’s ab. Es gibt kein Versteck, so weit entfernt es von der zivilisierten Menschheit auch liegen mag, das dem Auge des Gesetzes auf Dauer verborgen bleibt. Überallhin reicht seine Macht.
    Einen Augenblick lang dachte er an die Entführer, und die Wut packte ihn. Sie hatten noch nicht mal eine Wache an der Tür aufgestellt. Sie waren sich ihrer Sache so sicher, daß sie sich einfach ins Bett gelegt hatten. Sie fürchteten sich nicht vor Tommy und ihm, sie fürchteten sich nicht vor Megan und Duncan, sie fürchteten sich auch nicht vor der Polizei, die das Haus stürmen und sie mit einem fürchterlichen Kugelhagel zur Hölle expedieren würde - wenn sein Wunsch sich erfüllte.
    Er schämte sich etwas über seinen letzten Gedanken. Ich sollte mir lieber wünschen, daß man sie festnimmt und vor ein ordentliches Gericht bringt und ihrer gerechten Strafe zuführt.
    Aber er hatte dreißig Jahre lang auf der Richterbank gesessen und traute den Gerichten nicht. Kein bißchen.
    Es überraschte ihn selbst, wie zynisch er war. Dann dachte er wieder über die Situation nach, in der Tommy und er sich befanden.
    Warum waren die Entführer so selbstsicher? Sie mußten doch eigentlich nervös sein, schwitzen, Angst haben und unter dem Druck dieser ganzen Anspannung keinen Schlaf finden. Statt dessen war es so still im Haus, als handelte es sich um eine typische kleinbürgerliche Familie, die sich in ihrem Vorortbungalow für den nächsten Tag ausruht.
    Er begriff es nicht. Sie müßten doch eigentlich wachsam und in Alarmbereitschaft sein. Ausschau halten, überall.
    Sie haben überhaupt keine Angst, sich uns zu zeigen.
    Das paßt nicht zu einer Entführung.
    Richter Pearson wälzte sich leise stöhnend auf seinem Lager herum.
    Er hatte in den dreißig Jahren bei Gericht Dutzende von Entführungen aller Art behandeln müssen. Er grübelte und versuchte sich an irgendwelche Fälle zu erinnern, die diesem ähnelten, aber er merkte, daß er sich nicht konzentrieren konnte, er sah nur immer diese Frau mit dem bitteren Lächeln im Gesicht vor sich, die ihnen auf dem Parkplatz entgegengetreten war.
    Was haben sie getan? Sie haben uns mitgenommen, und sie tut so, als kenne sie uns - oder als wisse sie etwas über uns. Es gibt da irgend etwas, das ich noch nicht verstehe.
    Er spürte die Kälte der Nacht und wickelte sich fester in die Decke.
    Sie ist sehr gefährlich, dachte er. Die anderen nicht ganz so, trotz ihrer Waffen. Die anderen gehorchen ihr nur; sie ist die treibende Kraft. Sie sagt ihnen, was sie tun sollen, darum ist sie auch so arrogant. Sie allein führt das Kommando und entscheidet über den Einsatz.
    Er wälzte sich herum. Er konnte kein Auge zutun. Statt dessen starrte er in das Licht hinauf und wartete auf den Morgen.
     
    Olivia Barrow glitt nackt aus dem Bett. Von der Kälte der Nacht bekam sie eine Gänsehaut an Armen und Beinen, und ein Frösteln durchlief ihren Körper. Sie zog eine Decke vom Bett und warf sie sich wie einen Umhang über die Schultern. Sie sah, wie Bill Lewis sich bewegte und dann wieder in den Schlaf zurückglitt. Er war ein langweiliger Liebhaber, ein grunzender, ächzender, pumpender Simpel. Er bockte auf ihr herum, als wäre es einfach ein Akt der Fortpflanzung, und brach nach dem Orgasmus wie tot zusammen. Sie erinnerte sich an Augenblicke im Bett mit Emily Lewis und biß sich auf die Lippe, als der scharfe Schmerz der Trauer sie durchzuckte.
    Sie ging zum Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit, über der der Mond stand. Das ist der Wintermond, dachte sie; er sendet das Licht des Todes aus. Alles sieht jetzt viel kälter aus, wie vom Frost geätzt. Das Fenster lag auf der Rückseite des Hauses, und sie sah über ein kleines, von Gras bedecktes Feld hinweg zum Waldrand. Es war, als ob man am Rande eines Ozeans stand und die Bäume die

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