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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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den folgenden Entscheidungskämpfen besser, und schließlich fällt uns sogar etwas ein für den ganz großen Sieg. Sie sind hinter dem Geld her. Da werden sie doch nicht die Ware verder-ben lassen, nur um zu beweisen, wie stark sie sind.
    Daß er diese Entscheidung fällte, gab ihm Kraft. Er merkte, daß seine Hand unbeabsichtigt auf Tommys Schulter hinabgeglitten war, und er fühlte, wie sich der Körper des atmenden Kindes unter der groben Wolldecke hob und senkte. Er lächelte. Es ist praktisch unmöglich, dachte er, ein Kind schlafen zu sehen und nicht das überwältigende Bedürfnis zu verspüren, ihm über den Kopf zu streichen und die Bettdecke noch etwas fester um ihn zu ziehen.
    Dann setzte er sich auf das andere Feldbett und ließ die Gedanken umherwandern, gab sich den Tagträumen jener ersten Morgenstunden hin.
    Zu Beginn dachte er an seine Frau, was natürlich war, denn er fand so viele ihrer Züge in dem Jungen wieder. Er war froh, daß sie nicht da war und sich keine Sorgen um sie machen konnte. Etwas egoistisch von ihm, aber so verhielt sich die Sache nun mal, und daran ließ sich auch nichts ändern. Er erinnerte sich an ihre Beerdigung und wie lächerlich er sich vorgekommen war, peinlich berührt, daß er noch lebte und Hände schütteln und all ihre alten Freunde begrüßen mußte. Es war ein Nachmittag im Frühherbst, und die Blätter fingen gerade erst an zu welken, kleinste braune Kräuselungen am Rande des Grüns waren schon sichtbar. Aber es war noch sehr heiß gewesen, und er erinnerte sich, wie warm ihm in dem schwarzen Anzug gewesen war. Er hätte ihn so gerne ausgezogen und gebrüllt, das sei doch alles gar nicht wahr und jeder Blinde mit dem Krückstock sähe ja, daß da jemand etwas versaut hätte. Der Richter hatte der Predigt des Geistlichen nicht zugehört, auch nicht dem stetigen Strom der Beileidsworte seiner Trauergäste. Statt dessen hatte er die dicken grauen Wolken über den fernen Bergen beobachtet, die sich zu einer Gewitterfront zusammen-brauten und vergeblich gehofft, daß sie sich über ihm entladen und der Regen auf ihn herunterprasseln würde. Er lächelte: Die Zwillinge waren es gewesen, die ihn bei den Ellbogen genommen und von der Grabstelle weggeführt hatten, und er erinnerte sich noch, welch jugendliche Kraft ihn da durchströmt hatte. Der Regen war nicht gekommen.
    Der Tag blieb sonnig und warm, und das Leben ging weiter.
    Trotzdem kam es ihm absurd vor, daß er sie überlebte, und dieser Gedanke quälte ihn weiter. In all den Jahren ihres Ehelebens hatte er nie an eine solche Möglichkeit gedacht. Mit einer Sicherheit, die die Frucht alberner männlicher Anmaßung sein mußte, hatte er gewußt, daß er zuerst sterben würde und daß es darauf ankam, für sie Vorsorge zu treffen. All ihre Versicherungszahlungen waren darauf zugeschnitten; in ihren Testamenten war die Möglichkeit, daß sie vor ihm sterben könnte, fast überhaupt nicht berücksichtigt. Er erinnerte sich an das blöde Gefühl, das er gehabt hatte, als er beim Arzt im Sprechzimmer saß und begriff, daß sie tot war. Er hatte den Arzt angesehen und gedacht: Das ist ja Quatsch; das läßt sich bestimmt im Berufungsverfahren korrigieren. Er hatte nicht begriffen, wie absurd es war, zu glauben, daß der Tod nichts anderes als einer seiner Rechtsfälle sei.
    Er lächelte, als er sich daran erinnerte.
    Das Problem bei der Juristerei war, daß es alle Gedanken in dieses eine Schema hineinzwang: Man sah alles im Leben nur unter dem Aspekt, was für Präzedenzfälle und Einschätzungen vorlagen, die man alle überprüfen konnte.
    Da war so eine unpersönliche Angelegenheit - Worte und Entscheidungen, starrsinnig versuchte man, das so vielfältige menschliche Verhalten in feste Regeln zu pressen. Seine Frau hatte immer die Auswirkungen dieser Amtssprache auf die Menschen erkannt, wodurch juristische Fragen erst Leben gewannen. An all diesen Entscheidungen, in denen es um Leben und Freiheit ging, in all den Jahren, in denen Fragen nach Schuld und Unschuld beantwortet werden mußten, war sie beteiligt gewesen, bis sie starb, und danach konnte er eigentlich nicht mehr weitermachen.
    Das war vor zehn Jahren, und nun saß er immer noch da.
    Er hatte gedacht, er würde einfach zusammenklappen und sterben, aber er tat es nicht, und das verwunderte ihn immer noch.
    Ich wollte, sie wäre hier, dachte er. Sie würde dieses Frauenzimmer in der Luft zerfetzen.
    Er lächelte bei diesem Gedanken - auch wenn es nicht

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