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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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er.
    Unsere zweite Nacht hier. Draußen wird es stockdunkel, und der Himmel hat sich bezogen. Es wird kälter, die übriggebliebene Wärme des Tages verkriecht sich in den Schatten.
    Er winkte Tommy, er solle kommen und sich zu ihm setzen, und als er da war, nahm er ihn in die Arme.
    »Es ist so still, Großvater«, sagte das Kind, wie ein Echo seiner Gedanken. »Manchmal bin ich nicht sicher, daß sie noch da sind.«
    »Ich weiß«, sagte der Richter. »Und dann, gerade wenn du denkst, wir sollten das Bett nehmen und damit versuchen, die Tür einzurammen, hörst du irgendein Geräusch und merkst, daß sie die ganze Zeit dagewesen sind.«
    »Wie lange, glaubst du, müssen wir hierbleiben, Großvater?«
    »Du hast das schon mal gefragt, und ich weiß keine Antwort.«
    »Schätze.«
    »Tommy, wozu soll schätzen gut sein?«
    »Bitte.«
    Er konnte die Spannung in dem Jungen spüren und wußte nicht, ob er lügen oder die Wahrheit sagen sollte. Ist das nicht immer das Problem bei Kindern? dachte er. Wir sind nie ganz sicher, ob die Wahrheiten der Erwachsenen sie befreien oder belasten werden. Er erinnerte sich plötzlich an eine Ferienreise mit Frau und Kindern im Auto, das war viele Jahre her. Megan war damals ungefähr in Tommys Alter. »Wie weit noch?« hatte sie mit kläglicher Stimme immer wieder gejammert. »Bis wir ankommen«, hatte er geantwortet.
    »Aber wie weit?« hatte sie auf ihrer Frage bestanden.
    »Meilen und Meilen«, hatte er geantwortet.
    »Aber wie weit?«
    Schließlich, nachdem es zwanzig Minuten so hin und hergegangen war, hatte er gedacht: Sag ihr die Wahrheit.
    »Megan, es sind noch wenigstens zwei Stunden, darum versuche dich zu entspannen und sieh aus dem Fenster oder spiel ein Zählspiel mit deiner Mutter oder irgendwas, aber hör auf zu fragen, wie weit noch.« Sie hatte vor Verzweiflung losgeheult: »Zwei Stunden! Zwei Stunden!
    Ich will nach Haus!« Und er hatte die Zähne zusammengebissen, während sie jammerte und weinte.
    Aber das war nur eine dieser kleinen Wahrheiten, die nach hinten losgingen. Was war mit den großen Wahrheiten? Wie war es mit Leben und Tod?
    »Tommy, ich fürchte, wir werden hier noch wenigstens einen weiteren Tag bleiben.«
    Er konnte die Lippen des Jungen zittern sehen.
    »Warum?«
    Der Körper des Jungen zitterte plötzlich heftig, als er die Frage stellte.
    »Ich nehme an, sie haben von deinem Dad Geld verlangt, und er braucht etwas Zeit, um es zu beschaffen. Ich habe das schon einmal erklärt.«
    Tommy nickte mit dem Kopf, sein Körper zitterte immer noch.
    »Ich will hier raus«, sagte er. »Ich will nach Hause«, redete er weiter, und seine Stimme, von Schluchzern unterbrochen, wurde lauter. »Ich will nach Haus, nach Haus, nach Haus, nach Haus …«
    Sein Großvater nahm ihn fest in die Arme und drückte ihn an sich.
    Aber der Junge, anstatt sich in den tröstenden Armen des Großvaters aufzulösen, explodierte und stieß Richter Pearson zurück.
    »Ich will raus! Ich will raus! Ich will nach Haus!« fing Tommy an zu schreien. Er stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden. Dann sprang der Junge durch die Dachkammer an die Tür und fing an, mit der flachen Hand gegen die Tür zu hämmern, daß es hallte wie Pauken-schläge. »Ich will raus! Nach Haus!« brüllte er.
    Der Richter sprang auf und packte den Jungen bei den Schultern. Er versuchte ihn zurückzuzerren, aber Tommy riß sich los.
    Nein, dachte Richter Pearson, nein, bitte, Tommy, nicht jetzt. Bitte, nicht jetzt.
    Der Junge strampelte sich ein zweites Mal vom Zugriff seines Großvaters frei und warf sich gegen die verschlossene Tür, die unter dem starken Anprall des Knabenkörpers knirschte.
    »Raus! Raus! Raus! Raus! Nach Haus! Nach Haus! Nach Haus!« schrie Tommy.
    Als Richter Pearson ihn ein drittes Mal zu packen versuchte, drehte der Junge sich herum und trommelte mit den Fäusten auf den alten Mann ein. »Nein! Nein! Nein! Meins! Meins!«
    Der Richter taumelte zurück, überrascht von dem Angriff des Jungen.
    Oh, mein Gott, dachte der Richter. Er dreht durch. Ich kann ihn nicht mehr halten, ich weiß, ich kann nicht mehr … Duncan und Megan mußten ihn immer beide halten, wenn er durchdrehte. Ich schaff’s allein nicht.
    Tommy hämmerte wieder mit den Fäusten gegen die Tür. Der Lärm schien das ganze Haus zu erschüttern, dröhnte wie Donnerkrachen durch die alten Bretter.
    Der Richter hörte Füße durch die Diele laufen und dann die Treppe heraufkommen. Oh, mein Gott, dachte er, sie

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