Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück: Roman (German Edition)
sagte sie und merkte erst beim Sprechen, wie ernst es ihr damit war.
»Andy, rede mit mir. Wir müssen da irgendwie durch. Wir müssen doch auch an Clem denken. Sag mir, was …«
Andy sah ruckartig auf, und als ihre Blicke sich kreuzten, durchzuckte sie aufs Neue die Wut. »Eben daran denke ich im Moment: an Clem. Soll sie vielleicht mit einem Vater aufwachsen, der ihre Mutter nach Strich und Faden hintergeht und sie wie einen Fußabstreifer behandelt? Nur über meine Leiche. Nicht meine Tochter. Also lass dir hiermit gesagt sein, dass es in Clementines Interesse ist, wenn du von hier verschwindest.«
Max hatte Tränen in den Augen. Zu ihrer Überraschung rührte das Andy nicht im Mindesten. In all den Jahren, die sie nun schon zusammen waren, hatte sie Max vielleicht ein oder zwei Mal weinen sehen, und doch weckten seine Tränen in ihr keinerlei Regungen. Er wollte etwas sagen, ließ es dann aber.
»Gut, ich gehe«, flüsterte er. »Morgen komme ich wieder, dann können wir reden.«
Leise schloss er die Schlafzimmertür hinter sich. Kurz darauf hörte Andy auch die Wohnungstür zufallen. Er hat nichts zum Anziehen mitgenommen , dachte sie. Nicht mal eine Zahnbürste oder Ersatzkontaktlinsen . Wo will er hin? Bei wem übernachtet er? Die Fragen gingen ihr ganz automatisch im Kopf herum. Doch sobald sie sich ins Gedächtnis rief, was er getan hatte, zwang sie sich, an etwas anderes zu denken.
Was leichter gesagt war als getan. Zwar schaffte sie es, gegen Mitternacht einzuschlafen, wurde aber um eins wieder wach und fragte sich, wo Max wohl steckte; um zwei überlegte sie, wie sie das Ganze am besten ihren Eltern und Jill beibrachte; um drei versuchte sie sich auszumalen, was Barbara dazu sagen würde; um vier sann sie über Emilys Verrat nach, um fünf zermarterte sie sich das Hirn, wie sie als alleinerziehende Mutter zurechtkommen sollte, und um sechs schließlich versiegten ihre Tränen endgültig, aber nach der schlaflosen Nacht dröhnte ihr der Schädel, und ein Schreckensbild nach dem anderen schoss ihr durchs Hirn. Sie hatte rasendes Kopfweh, vom Nacken bis zu den Augenhöhlen, und war knapp vor einer Kiefersperre, weil sie die ganze Nacht mit den Zähnen geknirscht hatte. Auch ohne in den Spiegel zu sehen, wusste sie, dass ihr Gesicht rot und verquollen war und nach schwerer Krankheit oder klinischer Depression aussah – beides nicht allzu weit von der Realität entfernt. Ruhiger wurde sie erst, als sie Clem aus dem Bett hob und über ihren pfirsichweichen Haarflaum strich. Der Anblick ihrer Tochter, die mit wahrem Bärenhunger ihr Fläschchen trank, das Gefühl, dieses ganz in Fleece gehüllte kleine Wesen in den Armen zu halten, und der Geruch ihrer seidigen Haut waren wohl das Einzige, was Andy in dem Moment ein Lächeln entlocken konnte. Sie küsste ihre Tochter, schnupperte genüsslich an ihrem Hals und küsste sie gleich noch einmal.
Als um halb sieben ihr Handy läutete, ignorierte sie es geflissentlich, aber als es dann kurz darauf an der Tür klingelte, fuhr sie erschrocken zusammen. Ihr erster Gedanke galt Max, doch den verwarf sie gleich wieder: Wenn sie auch in einer schweren Krise steckten, es war immer noch sein Zuhause und seine Tochter, und er würde niemals an der Tür klingeln. Und von ihren übrigen Bekannten war um diese unchristliche Zeit niemand auch nur wach, geschweige denn besuchsbereit, und selbst wenn, hätte der Portier sie vorgewarnt. Ihr Herz klopfte schneller. War irgendwas passiert? Musste sie sich Sorgen machen?
Sie legte Clementine auf ihre Spieldecke und spähte durch den Spion. Da stand Emily, von Kopf bis Fuß in Designer-Joggingklamotten – Turnschuhe, Leggings, knallrosa Fleecepulli, reflektierende Weste und passendes Stirnband –, und dehnte ihre Kniesehnen. Dann checkte sie ihr Handy, guckte genervt und sagte: »Nun mach schon auf. Ich weiß, dass du da bist. Max hat sich bei uns einquartiert. Ich muss mit dir reden.«
Andy hätte sie gern ignoriert oder gebrüllt, sie solle verschwinden oder tot umfallen, aber nichts davon hätte auf Emily großen Eindruck gemacht, das wusste sie. Und da sie weder die Energie noch die Willenskraft hatte, einen Stellungskrieg durchzuhalten, machte sie schließlich auf.
»Was willst du?«
Emily beugte sich vor und küsste Andy auf die Wange so wie immer, dann schlenderte sie an ihr vorbei in die Wohnung, ganz normal, als hätte sie nicht vor gut zwölf Stunden ihrer Freundschaft den Todesstoß versetzt.
»Bitte sag mir,
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