Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
mit anderen Worten: einer vollkommen fremden Person.
Die Türglocke läutete. Im ersten Moment dachte Andy, das Geräusch käme aus dem Fernsehen, aber als Stanley losbellte, kam sie zu dem Schluss, dass es wohl irgendeine Essenslieferung sein musste – vermutlich für Isla. Es klingelte auf der Festnetzleitung.
»Alles okay, Sie können raufkommen«, sagte sie hastig in den Hörer.
»Oh, Andrea? Entschuldigung, ich wollte Ihnen nur sagen …«, setzte der Portier an.
Aus dem Flur ließ sich eine schrille Stimme vernehmen. »Hallo! Jemand zu Hause? Hallo …«
»… dass Mrs Harrison auf dem Weg zu Ihnen ist. Sie meinte, sie wird erwartet.«
»Ja, natürlich. Danke«, sagte Andy und sah an sich herunter. Sie war splitternackt. Draußen hörte sie Max seine Mutter begrüßen. Gleich darauf steckte er den Kopf zur Tür herein. »Hey, also, meine Mom ist da«, sagte er fast schon in fragendem Tonfall. »Sie war heute Abend zu einer Vernissage eingeladen, und die Galerie ist gleich hier um die Ecke, da hat sie gemeint, sie kommt vorher noch schnell vorbei und sagt der Kleinen kurz Hallo.«
Sein kleinlautes Lächeln entging ihr nicht. »Nicht im Ernst, oder?«, fragte sie und dachte: Deine Mutter kann ich im Moment ungefähr so dringend brauchen wie einen doppelten Oberschenkelhalsbruch.
»Tut mir leid, Baby. Sie war buchstäblich gleich um die Ecke. Und in einer halben Stunde muss sie schon wieder weg, also bleibt sie wirklich nur kurz. Ich hab mir gedacht, wir könnten doch noch ein Gläschen zusammen trinken, bevor wir alle losmüssen.«
»Max, ich bin noch nicht mal angezogen«, sagte Andy mit einer Handbewegung zu dem Wust aus Handtüchern, Kleidern der Sorte »kleines Schwarzes« und Unterwäsche auf dem Bett.
»Macht nichts, sie ist ja sowieso vor allem wegen Clem hier. Lass dir Zeit, ich gieß dir einen Schluck Champagner ein. Komm zu uns, wenn du so weit bist.«
Am liebsten hätte sie Max angebrüllt, weil er ihr nichts von diesem höchst unwillkommenen Überraschungsbesuch gesagt hatte, doch sie riss sich zusammen, nickte nur und bedeutete Max, die Tür zuzumachen. Sie hörte, wie er seiner Mutter Isla vorstellte – »Ach, aus Australien, sagen Sie? Was für ein interessantes Land« –, und dann verklangen die Stimmen in Richtung Wohnzimmer. Andy wandte sich einer Miederhose in Größe S zu, zog und ruckelte und zerrte das widerspenstige Ding zentimeterweise über ihre Beine nach oben, bis auch die ausladendste Oberschenkelpartie überwunden war – leider nur ein Etappensieg, denn nun musste sie zusehen, wie sie Hintern und Bauch in dem Teil unterbrachte. Es zwickte und schnitt überall ein, und als es endlich ungefähr dort war, wo es sein sollte, rannen Andy Schweißtropfen über den Rücken. Ihre Haare, die zum ersten Mal seit Clementines Geburt in Form geföhnt waren, klebten ihr am Hals und im Gesicht. Sie fächelte sich mit einer Zeitschrift Luft zu und fing an zu lachen: Da stand sie nun, in einer fleischfarbenen knallengen Miederhose und einem dreifach verstärkten Still- BH , und überall quoll ihr Fleisch heraus. Wenn das mal nicht super sexy war.
Ihr Handy klingelte. Sie rollte sich quer übers Bett bis zum Nachttisch und griff danach.
»Ungünstiger Zeitpunkt«, sagte sie so automatisch, wie es nur frischgebackenen Müttern erlaubt war.
»Ich wollte dir bloß viel Glück für heute Abend wünschen.« Jills Stimme klang warm und vertraut, und schlagartig war Andy eine Spur weniger nervös.
»Viel Glück für meinen Auftritt als undichte, übergewichtige Milchkuh inmitten eines Haufens umwerfend schöner Menschen? Oder viel Glück mit der Fremden, die ich mehr oder weniger im Internet gefunden habe und der ich meine Kleine überlasse?«
»Beides!«, sagte Jill fröhlich.
»Was mache ich bloß?«, ächzte Andy mit einem panischen Blick auf die Uhr.
»Das Gleiche wie alle anderen: Zieh was Schwarzes an, guck alle fünf Sekunden auf dein Handy und kipp so viel in dich rein, wie unter den gegebenen Umständen möglich.«
»Guter Tipp. Saufen, okay. Handy, okay. Jetzt muss ich bloß noch meinen Hintern in das langärmlige schwarze Kleid zwängen. Das mit dem Rückenausschnitt, erinnerst du dich? Das ich in der Zeit vor der Schwangerschaft so oft angehabt habe?«
Jill lachte. Es klang nicht nett. »Die Geburt ist gerade mal vier Monate her, Andy. Erwarte keine Wunder.«
Andy betrachtete das Kleid, das neben ihr auf dem Bett lag. Je nachdem, ob sie gerade Konfektionsgröße 34 oder 36
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