Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
Welten aufeinanderstoßen zu sehen, sie an den Rand der Hysterie brachte. Am liebsten hätte sie die Hand nach ihr ausgestreckt und sie beruhigt. Keine Bange, dein Geheimnis ist bei uns in guten Händen. Keine von uns wird deinem Freund auch nur ein Sterbenswörtchen verraten …
Mit einem Mal verschoben sich die Energien im Raum, doch Andy wurde erst mal von Clementine abgelenkt, die so plötzlich und vollkommen außer sich zu brüllen begann, dass Andy fast das Herz stehen blieb. Sie nahm ihre Tochter auf den Arm und suchte alles – Körper, Gesicht, die Patschhändchen, den Kopf mit dem zarten Flaum – nach einer Verletzung ab, fand aber nichts. Sie legte sich die Kleine über die Schulter, schmiegte das Gesicht an ihren Nacken und schaukelte sie sacht zu einem geflüsterten Singsang. Ganz allmählich beruhigte Clem sich etwas, und Andy ging im Geist ihre mütterliche Checkliste durch: hungrig, müde, nass, zu warm, zu kalt, Bauchschmerzen, Zahnen, überreizt, erschrocken oder einsam. Eben wollte sie Stacy fragen, ob sie sich mit Clem in ein ruhiges Zimmer zurückziehen könnte, da spürte sie Max’ Atem an ihrem Ohr.
»Ist das nicht dein Alex?«, fragte er und fasste sie fest um die Schulter.
Es dauerte eine gute halbe Minute, bis Andy die Frage eingeordnet hatte. »Ihr Alex« konnte nur Alex Fineman sein, so weit war alles klar, aber sie begriff beim besten Willen nicht, wieso Max ausgerechnet jetzt mit ihm ankam.
»Mein Alex?«, fragte sie verwirrt.
Max drehte sie mit sanfter Gewalt um, Richtung Eingangshalle, wo ein Mann mit dem Rücken zu ihr stand und eben Mantel und Schal ablegte. Ein prüfender Blick auf sein dunkles Haar, die grauen Turnschuhe von New Balance und die Art, wie er mit dem Hausmädchen herumwitzelte, und es gab für Andy keinen Zweifel mehr. Wahr und wahrhaftig, das war ihr Alex.
Schwuppdiwupp lösten sich Clementine, Max, Stacy, die krakeelenden Babys und die schwatzenden Eltern in Luft auf: Andys Gesichtsfeld verengte sich auf Alex und sonst gar nichts. Trotzdem konnte sie sich absolut keinen Reim darauf machen, was er hier zu suchen hatte.
»Xander!«, kreischte Sophie, was sie sonst nie und nimmer tat. »Komm her, Liebster, ich will dir meine neuen Freundinnen vorstellen.«
Xander. Der Name schlug bei Andy ein wie eine Bombe. In den zehn Jahren, die sie Alex nun schon kannte, hatte niemand – weder sie, ihre Collegefreunde, seine Mutter, sein Bruder noch sonst irgendwer – ihn anders als Alex genannt. Nicht einmal Alexander. Xander? Das klang total albern.
Und trotzdem, da stand er vor ihr, küsste seine wunderschöne, um einiges jüngere Freundin auf den Mund und ließ die Gastgeber das spitzbübische Lächeln sehen, bei dem jeder zerschmolz. Andy hatte er noch nicht entdeckt, und sie schickte ein stummes Dankgebet gen Himmel für die paar Sekunden, in denen sie sich sammeln konnte.
»Das ist doch Alex, oder?«, fragte Max und nahm Andy die quengelige Clementine ab. »Du machst ein Gesicht, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Mir war bloß nicht klar, dass er derjenige ist, von dem Sophie uns so viel erzählt hat«, wisperte Andy so diskret wie irgend möglich. »OmeinGott.«
»Was?«
»O. Mein. Gott.«
»Was hast du denn? Ist alles okay mit dir?«, fragte Max.
Xander. Seit Jahren zusammen. Liebe ihn, aber. Es ist anders geworden. Behandelt mich wie ein Möbelstück. Sind gerade erst zusammengezogen. Frisch in New York. Tomás. Mein Schüler. Viel jünger. Bloß ein Flirt, ganz unschuldig. Leidenschaftliches Geknutsche. Alles außer dem einen. Glaube, mich hat’s erwischt …
Wieso hatte sie bloß so lange gebraucht, um die Puzzleteile zusammenzusetzen? Jetzt jedoch waren sie alle am Platz, und Andy bekam kaum noch Luft. Es blieb keine Zeit, um das Ganze bis ins Letzte zu durchdenken oder Emily und Lily per Konferenzschaltung über alle scheußlichen Details in Kenntnis zu setzen – im nächsten Moment stand Alex schon neben ihr.
»Und das ist meine Freundin Andy!«, quiekte Sophie. »Und das ist ihr Mann … oh Verzeihung, ich weiß nicht mehr …«
»Das ist mein Mann, Max.« Zu ihrer Erleichterung klang ihre Stimme fest und beruhigend normal, obwohl sie sich am liebsten an Ort und Stelle übergeben hätte. Ganz kurz huschte ihr durch den Kopf, dass Max und Alex sich hiermit erst zum zweiten Mal begegneten – seit jenem ersten, reichlich schrägen Zusammentreffen bei Whole Foods vor Jahren –, doch der Gedanke war ebenso schnell wieder
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