Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
gelandet hatte.
Als es dann so weit war, hatte ihr regelrecht davor gegraut, vor dem berühmten Kamerakünstler posieren zu müssen, aber St. Germain ließ erst gar keine Verlegenheit aufkommen, und sie verstand gleich, worin das Geheimnis seines Erfolges lag.
»Glück muss man haben!«, rief er begeistert, als er mit seinen beiden Assistenten im Schlepptau die Brautsuite betrat. Es kam Andy fast wie ein kleines Wunder vor, dass er sich mit seinem Tross tatsächlich aus New York heraus- und in das Hotel am Hudson bemüht hatte! Obwohl sie nur einen trägerlosen BH und eine Body-Former-Taillenhose trug, die ihr von den Knien bis zur Brust reichte, war ihre Angst vom ersten Augenblick an wie weggeblasen.
»Inwiefern? Weil Sie nur eine einzige Durchschnittsbraut knipsen müssen statt einen ganzen Harem Bikinimodels? Hi, ich bin Andy. Ich freue mich so, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«
St. Germain, ein schmächtiges Kerlchen mit lilienblassem Teint, hatte die Stimme eines Football-Linebackers und einen damit nur schwer zu vereinbarenden Akzent (Französisch? Britisch? Australisch angehaucht?). »Haha! Sie haben es erfasst. Immer diese verrückten Girls, schlimmer als ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Aber Scherz beiseite, ma chérie . Ich preise mein Glück, weil wir kein Full-Body-Make-up benötigen. Es gibt nichts Lästigeres.«
»Kein Full-body-Make-up, Ehrenwort. Wenn alles nach Plan läuft, wissen Sie hinterher noch nicht mal, ob ich mir die Bikinizone gewachst habe.« Andy lachte. Nach seinem Herumgezicke im Vorfeld hatte sie ein Ekelpaket erwartet und keinen unwiderstehlichen Charmeur. Von seiner »Bekannten« hatte sie erfahren, dass er direkt von einem Bademoden-Shooting aus Rio kam. Fünf Tage, zwei Dutzend Models, perfekte Körper, ein Meer aus nackter brauner Haut.
St. Germain nickte so bedächtig, als hätte sie gerade eine tiefere Weisheit ausgesprochen. »Wie schön. Ach, ich kann sie nicht mehr sehen, diese Hungerhaken in den bunten Bikinis. Natürlich ist das der Traum der meisten Männer, aber Sie kennen ja sicher den Spruch: Je größer der Genuss, desto schneller der Verdruss«, sagte er mit einem spitzbübischen Lächeln.
»Das klingt aber nicht gerade so, als ob das Shooting in Rio die reine Qual für Sie war.« Andy schmunzelte.
»Da könnten Sie recht haben.« Er legte ihr die Hand unters Kinn und drehte ihr Gesicht ins Licht. »Nicht bewegen.«
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte ihm einer der Assistenten bereits eine Kamera mit einem Objektiv wie ein Ofenrohr gereicht, und St. Germain drückte zwanzig, dreißig Mal auf den Auslöser.
Andy schlug die Hände vors Gesicht. »Aufhören! Ich bin doch noch gar nicht geschminkt! Und ich hab ja noch nicht mal das Kleid an!«
»Nein, nein, genau so will ich Sie haben. Bezaubernd! Sie sehen wirklich wunderschön aus, wenn Sie wütend sind. Das sagt Ihnen Ihr Verlobter gewiss auch immer, nicht wahr?«
»Nein.«
St. Germain hielt die Kamera nach links von sich. Blitzschnell wurde sie von seinem schwarz gekleideten Assistenten gegen eine andere ausgetauscht. »Hm, das sollte er aber. Ja, genau so bleiben. Und jetzt funkeln, Darling.«
Andy ließ die Schultern sinken und sah ihn ratlos an. »Wie bitte?«
»Ich möchte, dass Sie funkeln.«
»Und wie soll ich das anstellen?«
»Raj!«, blaffte er.
Der andere Assistent, der mit dem Reflektor hinter der Couch kauerte, sprang auf. Er schob die Hüfte vor, machte einen Schmollmund, legte neckisch den Kopf auf die Seite und schlug den Blick zu einem sexy Augenaufschlag nieder.
St. Germain nickte zufrieden. »Haben Sie gesehen, wie das geht? Machen Sie es wie meine Badenixen. Funkeln Sie mir was vor!«
Andy musste lachen, als sie daran dachte. Sie zeigte auf eines der Bilder, die Daniel herunterscrollte. Sie zog eine spitze Schnute, und ihre Augenlider hingen auf Halbmast, fast so, als stünde sie unter Drogen. »Das ist mein Funkelgesicht.«
»Dein was?«
»Ach, nichts.«
»So, und jetzt pass auf«, sagte Daniel. Im nächsten Augenblick erschien eine Aufnahme von Andy und Max auf dem Bildschirm – der Hochzeitskuss.
Andy konnte sich nur noch bruchstückhaft an die Trauung erinnern. Da war das Gefühl, neben sich zu stehen, als die Flügeltür aufschwang. Dann die ersten Klänge des Kanons von Pachelbel und das Wissen, dass es für eine Flucht zu spät war. Während sie, an den Arm ihres Vaters geklammert, zwischen den Sitzreihen hindurchschritt, sah sie die Eltern ihres
Weitere Kostenlose Bücher