Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
Plunge und Runway : die langbeinigen Gazellen in ihren Designer-Outfits und mit den Stiletto-Absätzen. Zu Emilys Aufgaben gehörte die Einstellung der Mitarbeiter – mit einer einzigen Ausnahme: Carmella Tindale, die Chefin vom Dienst, die Andy ihrem alten Arbeitgeber Happily Ever After abgejagt hatte und die für sie einfach unentbehrlich war. Deshalb durfte Carmella sich auch eine leichte Pummelfigur und eine braun gefärbte, aber an den Wurzeln zentimeterlang grau herausgewachsene Strubbelfrisur leisten. Sie trug am liebsten sackartig geschnittene Hosenanzüge – mit bequemen Merrell Clogs im Winter und orthopädisch wertvollen Fit-Flops im Sommer. Ihr einziges Designerstück war ein Rucksack von Prada, den sie sich mit Strasssteinen und bunten Stickereien »aufgehübscht« hatte. Carmella war – da gab es kein Vertun – ein Fashion-Desaster epischen Ausmaßes, und Andy liebte sie heiß und innig. Die übrigen Mitarbeiterinnen dagegen hätten Kopien der Runway -Hühner sein können: eine langbeiniger, klapperdürrer und bildhübscher als die andere. Ihr Anblick schlug Andy regelrecht aufs Gemüt.
Andys Handy klingelte. »Max? Bist du das?«
»Hi, Schatz. Wie geht es dir?«
Bis zu seiner Frage hatte sie sich gut gefühlt, aber jetzt stieg prompt die Übelkeit in ihr hoch.
»Nicht schlecht. Ich bin gerade auf dem Weg zu Emily, zu einer Besprechung. Was gibt’s?«
»Ich hab da eine Idee. Wie fändest du es, wenn wir meine Mutter und Schwester, deine Mutter, Jill, Kyle, deinen Dad und Noreen zum Essen zu uns einladen? Wir sagen ihnen, wir hätten jetzt die Abzüge von den Hochzeitsfotos bekommen und sie sollen uns helfen, die schönsten für das Album auszusuchen. Und dann überraschen wir sie mit unserer Neuigkeit.«
Am liebsten hätte sie es ihrer Mutter und Jill bei ihrem letzten Besuch gesagt … Aber nachdem es jetzt schon Lily und Max wussten – und gleich auch Emily –, reichte es ihr eigentlich.
»Ach, ich weiß nicht …«
»Was meinst du, wie die sich freuen. Wir haben doch Anfang der Woche den nächsten Ultraschall … Wie hieß der noch mal?«
»Das Nackenscreening.«
»Ja, genau. Und wenn dabei alles in Ordnung ist – wovon wir ja ausgehen –, können wir loslegen und unsere Familien zu den glücklichsten Menschen der Welt machen. Ich kann über den Eventmanager der Firma einen Caterer organisieren. Die besorgen alles, kochen, räumen auf … Du bräuchtest keinen Finger zu rühren. Was wäre das?«
Andy lächelte einen Hungerhaken aus dem Art Department an, der in Overknee-Stiefeln an ihr vorbeiklapperte, einen ganzen Klempnerladen an Goldketten um den Hals.
»Andy?«
»Entschuldige. Ja … gut. Von mir aus gern.«
»Das wird klasse! Samstagabend in einer Woche?«
»Nein, an dem Tag fliegen Jill, Kyle und die Jungs zurück nach Texas. Wie wäre es mit Freitag?«
»Geht auch. Dann lade ich also alle ein und organisiere den Rest. Andy?«
»Ja?«
»Ich kann es kaum erwarten. Was meinst du, wie sie sich für uns freuen.«
Ob Barbara sich freuen würde, war noch die Frage. Die verhasste Schwiegertochter erwartete das ersehnte Enkelkind. Was für ein Dilemma! Auch wenn sie sich mit ihrem Botox-Gesicht vermutlich nichts anmerken ließ. Aber vielleicht würde sie sich durch die Nachricht von der Schwangerschaft ja doch noch für Andy erwärmen.
»Super«, sagte sie. »Schön, dass wir dann gleich alle zusammenhaben.«
»Ich liebe dich, Andy.«
Sie zögerte höchstens einen Sekundenbruchteil lang, dann sagte sie: »Ich liebe dich auch.«
»Andy? Jetzt komm endlich!«, tönte Emily aus ihrem Glaskäfig. Der herrische Ton kam Andy verdächtig bekannt vor.
»Ich höre, man verlangt nach dir. Dann bis später«, sagte Max und machte Schluss. Andy konnte direkt vor sich sehen, wie er grinste.
Sie ging in Emilys Büro, setzte sich in einen ledernen Freischwinger, streifte ihre Mokassins ab und vergrub die Zehen in dem weichen Schaffellteppich. Ohne Rücksicht auf die – wegen ihrer begrenzten finanziellen Möglichkeiten – eher kärgliche Ausstattung der übrigen Redaktionsräume hatte Emily ihr Büro aus eigener Tasche so eingerichtet, dass es aussah, wie direkt der Elle Decor entsprungen. Der knallrote Hochglanzschreibtisch, die weißen Ledersessel und der Schaffellteppich waren nur der Anfang. Ein Schrank von zeitloser Eleganz beherbergte ihre Magazin- und Büchersammlung, durchscheinende weiße Vorhänge zierten die spektakulären Fenster, und an der einzigen Backsteinwand
Weitere Kostenlose Bücher