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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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der zu jeder Mahlzeit rohes Fleisch isst.«
    »Also, bevor du endgültig über mich herfällst, sollte ich dir sagen, dass es so etwas wie echte Veganer nicht gibt. Will sagen: Weißt du, wie viele Lebewesen in einer Karotte leben? Das sind Millionen. Eine Pflanze ist so etwas wie eine Mikrobenmetropole, du löschst also eine ganze Stadt aus, wenn du eine einzige Karotte kochst. Denk darüber nach. Jede Suppenschüssel ist eine Apokalypse.«
    »Das ist eine …« Sie muss wieder aufhören zu sprechen.
    Rowan fühlt sich schuldig, weil er sie aufregt. Seine Schwester ist die einzige Freundin, die er hat. Und vor allem die Einzige, vor der er so sein darf, wie er ist.
    »Clara, du bist sehr, sehr blass«, sagt er leise. »Sogar für deine Verhältnisse.«
    »Ich würde mir wünschen, dass nicht alle andauernd davon reden«, sagt sie und hat sich im Kopf eine Reihe vonFakten zurechtgelegt, die sie aus den Foren auf vegan.power.net herausgefunden hat. Beispielsweise dass Veganer neunundachtzig werden und nicht so oft an Krebs erkranken und einige sehr gesunde Hollywoodfrauen wie Alicia Silverstone und Liv Tyler und die zugegebenermaßen etwas verschlafene, aber dennoch strahlende Zooey Deschanel niemals tierische Produkte auf ihre Zunge lassen. Aber um das auszusprechen, müsste sie sich zu sehr anstrengen, also lässt sie es bleiben.
    »Bei dem Wetter wird mir einfach schlecht«, sagt sie, als die letzte Übelkeitswelle ein wenig abgeklungen ist.
    Es ist Mai und der Sommer fängt früh an, insofern könnte sie recht haben. Rowan leidet selbst. Empfindlich, halb gehäutet, sogar unter der Kleidung und dem Sonnenblocker Faktor 60.
    Rowan entdeckt die schimmernde Perle einer Träne im Auge seiner Schwester, was am Tageslicht liegen, aber auch Verzweiflung sein könnte, also behält er seine Antiveganer-Kommentare für sich. »Vielleicht hast du recht«, sagt er. »Wird schon werden. Ganz bestimmt. Und Hanf steht dir ganz bestimmt großartig.«
    »Witzig«, presst sie mühsam hervor.
    Sie gehen am ehemaligen Postamt vorbei, und Rowan ist deprimiert, weil das Graffito immer noch da ist. »Rowan RADLEY IST EIN FREAK.« Dann kommt Fantasy World, wo die Piraten durch Mannequins in neonfarbenen Disco-Fähnchen ersetzt wurden, über denen ein Banner mit der Aufschrift »Hier kommt die Sonne« prangt.
    Tröstlich wird es auf der Höhe des Hungry Gannet, wo Roman durchs Fenster in Richtung Kühltheke späht, die im hinteren Teil des unbeleuchteten Raumes glüht. Wie er weiß, warten dort Serrano- und Parmaschinken darauf, dass sie gegessen werden. Doch dann zwingt ihn ein schwacher Knoblauchduft, den Blick abzuwenden.
    »Hast du immer noch vor, heute Abend auf die Party zu gehen?«, fragt Rowan seine Schwester, während er sich die müden Augen reibt.
    Clara zuckt mit den Schultern. »Weiß ich noch nicht. Ich glaube, Eve will, dass ich mitkomme. Kommt darauf an, wie es mir geht.«
    »Gut, ja, du solltest nur mitgehen, wenn du …«
    Rowan hat den Jungen vor sich entdeckt. Es ist ihr Nachbar, Toby Felt, der zur gleichen Bushaltestelle geht. Ein Tennisschläger ragt aus seinem Rucksack, wie der Pfeil am Piktogramm für das männliche Geschlecht.
    Er ist ein dünner, wieselartiger Junge, der einmal – vor mehr als einem Jahr – Rowan ans Bein uriniert hat, als Rowan zu lange vor dem benachbarten Urinal stand, weil er nicht pinkeln konnte.
    »Ich bin ein Hund«, hatte er gesagt, mit kaltem, spöttischem Blick, während er den gelben Strahl auf ihn richtete. »Du bist ein Laternenpfahl.«
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragt Clara.
    »Ja. Alles in Ordnung.«
    Jetzt kommt Millers Fish & Chips Shop in ihr Blickfeld, mit seinem schmuddeligen Schild (auf dem ein Fisch eine Pommes frites isst und lacht, weil das komisch ist). Das Haltestellenhäuschen befindet sich genau gegenüber. Toby ist bereits angekommen und redet mit Eve. Und Eve lächelt über das, was er sagt, und bevor Rowan merkt, was er tut, kratzt er sich am Arm, womit er seinen Ausschlag zehnmal verschlimmert. Er hört Eve lachen, als die gelbe Sonne über den Dächern auftaucht, und Licht und Lachen versetzen ihm gleichermaßen einen Stich.

[Menü]
    IRISH SETTER
    Peter befördert die leeren Dosen und Flaschen über den Kies zum Gehweg, als er Lorna Felt auf ihrem Rückweg zu Nummer neunzehn entdeckt.
    »Hallo, Lorna«, sagt er. »Bleibt es bei heute Abend?«
    »Ja, natürlich «, sagt Lorna, als ob es ihr gerade wieder eingefallen wäre. »Das Essen. Nein, wir haben es

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