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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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unerlaubten medizinischen Hilfsmittel bereitstellen, und
ich hätte ihn darin bestärkt. Ich erinnere mich an diesen speziellen Vorfall
nicht, sehr deutlich aber spüre ich noch dieses Gefühl der Besorgnis und die
Neugier, warum zum Teufel diese Burschen so schnell waren und was sie wohl
einnahmen. [3]
    Weisel, wie man sich denken kann, gefiel es noch viel weniger als
uns, dass wir nur hinterherfuhren, und die Strukturen im Radsport verstärkten
sein Missbehagen noch. Im Baseball oder American Football gibt die Liga den
Mannschaften einen gewissen Rückhalt. Der Profi-Radsport hingegen folgt einem
eher darwinistischen Modell: Die Teams werden von großen Firmen finanziert und
stehen im Wettbewerb um die Zulassung zu den großen Rennen. Es gibt keine
Sicherheiten. Sponsoren können aussteigen, Renn-Veranstalter können Teams die
Starterlaubnis verweigern. Daraus ergibt sich ein Zustand immerwährender
Nervosität: Sponsoren sind nervös, weil sie gute Ergebnisse brauchen, die
Sportlichen Leiter sind nervös, weil sie ebenso auf gute Resultate angewiesen
sind, und schließlich sind die Fahrer nervös, weil sie die Ergebnisse brauchen,
um einen Vertrag zu erhalten.
    Weisel verstand diese Gleichung. Das war sein Versuch, zur Tour zu
kommen, und er ist nicht der Typ, der auf Niederlagen reagiert, indem er seinen
Leuten auf die Schulter klopft und sagt: »Macht nichts, Jungs, morgen packen
wir sie.« Nein, Weisel ist der Typ, der auf Niederlagen sauer reagiert. Und 1996
erlebten wir, wie er immer ungehaltener wurde. Wir sahen, wie er und Eddie B.
sich nach den Rennen stritten. Wir hörten das drohende Knurren.
    Morgen fahren wir besser ein paar gute Resultate
ein, oder hier fliegt jemand raus.
    Jungs, nun legt mal einen Zahn zu, und zwar
sofort!
    Das war hundsmiserabel. Was ist bloß mit euch
Burschen los?
    Die neuntägige Tour de Suisse im Juni bot uns die Chance auf
Wiedergutmachung. Wir waren zuversichtlich. Hampsten, der sich die
Kapitänsrolle mit Darren Baker teilte, hatte diese Rundfahrt 1988 gewonnen.
Weisel plante, zu den wichtigen Etappen einzufliegen und dann neben Eddie B. im
Teamfahrzeug mitzufahren. Wir wollten um jeden Preis beweisen, dass wir
dazugehörten.
    Sie fuhren uns in Grund und Boden. Ein paar Tage lang hielten wir
mit, aber sobald es ernst wurde, wurden wir nach hinten durchgereicht. Die
Schlüsselszene kam auf der vierten Etappe beim mörderischen Anstieg zum
Grimselpass – dort sind auf 26   Kilometer Länge bei einer durchschnittlichen
Steigung von sechs Prozent 1540   Meter Höhendifferenz zu überwinden. Auf der
Passhöhe erwartet einen dann der so treffend benannte Totensee. Gleich auf den
unteren Rampen zog das Feld das Tempo an, und wir fielen zurück, als hätte man
Anker an unsere Hinterräder gekettet. Als Letzter aus unserer Mannschaft hielt
Hampsten noch mit, in einer Gruppe von 20 Fahrern flog er den Berg hinauf.
Weisel und Eddie B. feuerten ihn an, aber es nützte nichts – Hampsten fuhr sich
die Seele aus dem Leib, doch alle anderen waren einfach stärker. Die Gruppe zog
davon, Hampsten wurde abgehängt.
    Weisel wurde nervös, als er die Spitzengruppe davonziehen sah. Das
internationale Renn-Reglement sieht vor, dass das Mannschaftsfahrzeug hinter
dem bestplatzierten Fahrer des Teams bleibt, um ihn zu verpflegen und ihm bei
etwaigen technischen Problemen mit dem Rad helfen zu können. Ein Verstoß gegen
diese Regel ist undenkbar, das wäre gerade so, als würde eine Boxencrew mitten
in einem NASCAR -Rennen ihren Posten verlassen.
Weisel aber hatte keine Geduld mehr, weder fürs Reglement noch für irgendetwas
anderes. Er wies Eddie B. an, Hampsten zurückzulassen, ihn zu überholen und zu
den Führenden aufzuschließen, damit er sehen konnte, wo die Post abging. Weisel
wollte nach neuen Fahrern fürs 1997er-Team Ausschau halten. Eddie B. gab Gas,
und Hampsten sah mit ungläubigem Staunen, wie das Postal-Fahrzeug entschwand.
Die Botschaft war unmissverständlich: Weisel würde nicht auf Verlierer warten.
    Zwei Tage später hatte unser Ko-Mannschaftskapitän Darren Baker am
Fuß des Anstiegs zum Sustenpass (17   Kilometer bei durchschnittlich 7,5 Prozent
Steigung) einen Platten. Ich trat ihm ein Rad ab, und als mir der Materialwagen
den Ersatz brachte, war ich ganz allein. Ich gab alles, schaffte den Anschluss
aber nicht mehr. Auf dieser Etappe blieb ich allein und versuchte nur noch,
innerhalb des Zeitlimits ins Ziel zu kommen. Ich sehe sie vor mir: verzweifelte
Fahrer, die

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