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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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kommende Saison in Europa, planen,
packen, trainieren, meinen Platz im neu aufgebauten Team finden. Scott Mercier
war einer der älteren Fahrer darin, ein ehemaliger Olympia-Teilnehmer. Ihn
lasse ich jetzt seine Begegnung mit unserem neuen Arzt beschreiben.
    SCOTT MERCIER : Mich hatte vorher
noch nie ein Arzt um eine Blutprobe gebeten, also wusste ich nicht, was er
damit wollte. Allerdings wusste ich, dass man den Hämatokritwert nur durch EPO oder eine Bluttransfusion anheben kann. [Celaya] nimmt
mich also in sein Hotelzimmer mit und macht den Test. Als er sich meinen Wert
ansieht, schüttelt er den Kopf.
    »Ooooh là là!«, sagt Pedro. »Du bist 39. Um als Profi in Europa
mitzuhalten, musst du 49 sein, besser 49,5.«
    Ich verstand, was er meinte; es konnte nur um EPO gehen. Aber ich stellte mich dumm, um zu sehen, was
er als Nächstes sagen würde.
    »Wie geht das?«, frage ich also, und Pedro lächelt.
    »Spezialvitamine«, sagt er. »Aber darüber können wir auch
später noch reden.«
    In Europa hielt ich dann die Augen offen. Ich wusste über EPO Bescheid und wusste, dass man es gekühlt aufbewahren
muss. Und siehe da, im Materialwagen des Teams gibt es einen Kühlschrank. Darin
sind ein paar Getränke, ein bisschen Eis – und im unteren Fach eine schwarze
Plastikbox. Mit einem Vorhängeschloss dran. Wenn man sie nahm und etwas
schüttelte, hörte man drinnen die Ampullen klirren. Ich nannte sie die
»Spezialvitamin-Proviantdose«.
    Jeder sah, dass ganz oben eine Entscheidung gefallen war, jeder
sah, wohin das Team steuerte. Es war sonnenklar. Trotzdem möchte man so etwas
nicht wahrhaben; man ignoriert es und versucht, sich davon nicht beeinflussen
zu lassen. Eine Weile geht das. Später im gleichen Frühling, im Mai, hatte ich
eine vierwöchige Rennpause. Eines Abends kam Pedro in mein Hotelzimmer und gab
mir einen Plastikbeutel mit ungefähr 30 Tabletten und einigen Ampullen, die mit
einer klaren Flüssigkeit gefüllt waren. Er sagte, das seien Steroide. »Die
machen dich stark wie ein Stier«, sagte er. »So stark wie noch nie.«
    Ich dachte lange darüber nach. Es war eine schwere
Entscheidung. Am Ende verzichtete ich auf die Tabletten und verließ das Team
zum Jahresende. Das war nicht mein Ding. Hauptgrund für meinen Abschied war
aber wohl, dass ich schon 28   Jahre alt war; ich hatte eine schöne Karriere
hinter mir und einige gute Optionen vor mir. Ich wurde dann Geschäftsmann und
bin auch ganz erfolgreich. Trotzdem geht mir diese Entscheidung nun seit 14
Jahren nicht mehr aus dem Kopf. Ich mache denjenigen, die die Tabletten
genommen haben, keinen Vorwurf – ich kann verstehen, warum sie es taten. Ich
meine, nehmen Sie nur Tyler – wie gut er sich in dieser Szene behauptet hat! Es
war seltsam, mir das von außen anzuschauen und mich immer zu fragen, wie es
wohl gekommen wäre, wenn ich mich damals anders entschieden hätte.
    Im Februar 1997, einige Wochen nach dem Ende des
Trainingslagers, flog ich dann über den Atlantik. Ich weiß noch, wie ich aus
dem Flugzeugfenster auf die spanische Landschaft unter mir sah und mein Magen
sich verkrampfte. Ich war nervös. Ich würde in Südspanien bei drei Rennen
antreten; dann würde ich mich in Barcelona mit Haven treffen und mit ihr zur
neuen Wohnung in Girona fahren, die wir uns mit den anderen Fahrern des
Postal-Teams teilten. Das bevorstehende Leben in Europa, mein noch unsicheres
Verhältnis zu Haven und meine spanischen Sprachkenntnisse (nämlich keine)
machten mich ziemlich nervös; noch beunruhigender fand ich allerdings, dass es
im Postal-Team 20 Fahrer gab, aber nur neun an der Tour teilnehmen konnten, und
ich wollte unbedingt zu ihnen gehören.
    Nach der Landung ging es praktisch direkt auf die Piste: fünf Tage
Ruta del Sol, dann das eintägige Luis-Puig-Rennen, im Anschluss die fünftägige
Tour de Valencia. Es waren brutale Rennen: windig, heiß, unglaublich schnell.
Wir rasten durch die spanische Steppe und die Küste entlang, durch eine
Szenerie aus Braun und Blau. Damals sah ich die weißen Beutel zum ersten Mal.
Sie tauchten am Ende jedes Rennens auf, wenn die Betreuer sie aus dem
Kühlschrank im Werkstattwagen holten. Sie waren klein, ungefähr so groß wie ein
Frühstückbeutel, den man als Kind mit in die Schule nimmt, oben ordentlich
zusammengefaltet. Für die Betreuer waren sie nichts Besonderes – gerade das
ließ sie so wichtig erscheinen; sie waren einfach da, gehörten zum normalen
Ablauf. Bestimmte Fahrer bekamen sie, wenn

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