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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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übersprang und stattdessen für die dreiwöchige Spanien-Rundfahrt
trainierte. So kam sein Comeback nicht parallel zum grandiosen Fiasko der
Festina-Affäre in die Schlagzeilen. Er entging dieser Katastrophe, ich jedoch
nicht. Es war meine zweite Tour de France; und wie sich herausstellte, sollte
sie bemerkenswert werden, wenn auch nicht in positiver Hinsicht.
    Es fing damit an, dass ein Wagen des Festina-Teams, gesteuert von
einem belgischen Betreuer namens Willy Voet, bei der Einreise vom französischen
Zoll kontrolliert und durchsucht wurde. Im Kofferraum fand sich ein Lager
leistungssteigernder Medikamente, mit dem man mehrere Apotheken hätte
ausstatten können. Die Beamten fanden 234 Dosen EPO ,
82 Ampullen mit menschlichem Wachstumshormon, 160 Kapseln Testosteron und
Verschiedenes mehr (das entsprach vermutlich ziemlich genau dem, was auch
Postal und viele andere Teams dabeihatten). Ich weiß noch, dass auch
Hepatitis-Impfstoff darunter war und ich das ziemlich vorausschauend fand, wenn
man bedachte, wie viele Spritzen diese Fahrer gesetzt bekamen.
    Das Ergebnis war sofortiges Chaos. Gendarmen überschwemmten das
Fahrerlager, durchsuchten Autos und Busse der Teams. Die Funktionäre des
Festina-Teams stritten ein paar Tage lang alles ab, dann, als die Beweise zu
erdrückend wurden, flog die Equipe aus dem Rennen. Es gab eine Polizeirazzia in
der Geschäftsstelle von Festina, wo ein weiteres Dopingmittellager gefunden
wurde, das auch PFC s enthielt. Wie sich
herausstellte, gab es eine schwarze Kasse für den Ankauf der Mittel, in die die
Fahrer den Gegenwert einiger Tausend Euro einzahlen mussten. Am meisten
überraschte mich, dass einige französische Fahrer tatsächlich angeklagt wurden – anders als in den USA ist Doping in Frankreich
eine Straftat. Die Fahrer veranstalteten dramatische, letztlich aber fruchtlose
Proteste und drohten, so lange zu streiken, bis man sie wieder mit Respekt
behandele. Währenddessen wurden in den Toiletten von Bussen, Wohnmobilen und
Hotels hektisch Medikamente im Wert von vielen Tausend Euro entsorgt. Ich weiß
noch, wie Jekimov witzelte, er könnte ja ins Klo des Postal-Wohnmobils tauchen
und das Zeug wieder herausfischen. [2]
    Die Polizei griff hart durch. Am schweizerischen Festina-Fahrer Alex
Zülle führte man eine Leibesvisitation durch, er wurde dann 24 Stunden in eine
Zelle gesperrt und bekam während dieser Zeit nichts als ein Glas Wasser. Er
räumte ein: »Alle wussten, das ganze Peloton war gedopt. Ich hatte die Wahl,
entweder nachzugeben und mitzumachen oder aufzugeben und wieder als Anstreicher
zu arbeiten. Es tut mir leid, dass ich gelogen habe, aber es ging nicht
anders.«
    Es war das einzige Mal, dass ich Pedro nervös erlebte. Auf einmal
kamen Leute ins Gefängnis; sogar Pedros Nachfolger bei ONCE ,
ein Arzt namens Terrados, wurde festgenommen. Ich selbst verfolgte die Vorgänge
mit einer seltsamen Leichtigkeit. Ich hatte ja kein EPO dabei (außer in meinen Adern vielleicht, aber dafür gab es noch immer keinen
Test). Es war ein eigentümlich gutes Gefühl zu wissen, dass wir jetzt alle
wieder von gleichen Voraussetzungen ausgehen und den Rest der Tour gemeinsam
auf paniagua fahren würden. Frankie, erinnere ich mich, steuerte eine kleine
Ajax-Wahrheit bei, indem er sagte, der ganze Wahnsinn mit der Polizei sei
vielleicht gar nicht so schlecht, weil der Radsport langsam außer Kontrolle
geraten sei. Schließlich waren wir nur die Infanterie in diesem durchgedrehten
Rüstungswettlauf.
    Mitten in diesem Chaos kamen dann noch Gerüchte auf, dass einige
Fahrer einen entweder sehr waghalsigen oder unglaublich dummen Schritt taten
und einen Plan B in Kraft setzten: Sie besorgten
sich ihren eigenen Edgar. Auf Hotelparkplätzen gab es heimliche Übergaben durch
Freundinnen; Mechaniker besorgten das Zeug, Verwandte oder ein Barmann, den der
Coach kannte. So lief es. Wo die Behörden eine Tür schlossen, öffneten die
Fahrer dafür zwei Fenster.
    Unter dem Eindruck der Razzien wurde aus der Tour 1998 ein ganz
anderer Wettkampf. Nun ging es nicht mehr so sehr darum, wer der Stärkste war,
sondern wer bereit war, das höchste Risiko einzugehen – und den besten Plan B
hatte. Dabei stellte sich heraus, dass einige ziemlich gute dabei waren. Das
Polti-Team gestand später, es habe da eine Thermosflasche mit EPO in einem Staubsauger gegeben … Das GAN -Team machte Witze über Verstecke am Straßenrand.
Tour-Sieger wurde am Ende der italienische Kletterkönig Marco

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