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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

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Autoren: Tyler Hamilton
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ungefähr 50   Dollar für 1000 Einheiten, wir
dagegen fast 100). In dem Bericht war von einer Privatklinik die Rede, über die
die Versorgung gelaufen sei; Zitate von Teamtrainern belegten, dass Riis bei
der Tour 1995 – einem der wenigen Rennen, die er nicht gewonnen
hatte – mit einem Hämatokritwert von 56,3 gefahren sei. Wir verfolgten die
Berichterstattung und die anschließende öffentliche Debatte mit gemischten
Gefühlen: Einerseits fürchteten wir ähnliche Enthüllungen über uns, waren aber
andererseits erleichtert, nicht unter solchem Druck durch die Öffentlichkeit zu
stehen wie die großen europäischen Teams.
    –   Ende Juni
verletzten sich sowohl Riis als auch Ullrich bei der Tour de Suisse – Riis
brach sich den Ellenbogen, Ullrich erwischte es am Knie –, und zwar so schwer,
dass sie nicht bei der Tour de France antreten konnten.
    All das kam zusammen und machte aus der Tour 1999 eines
der ergebnisoffensten Radrennen aller Zeiten, die erste Tour seit 50   Jahren
ohne einen ehemaligen Gesamtsieger am Start! Lance stand auf einer langen
Kandidatenliste, zusammen mit Alex Zülle (jetzt nicht mehr bei Festina und nach
einer kurzen Sperre und einer Geldstrafe wieder zugelassen), dem französischen
Favoriten Richard Virenque (für den das Gleiche galt), dem spanischen
Bergspezialisten Fernando Escartín, den Italienern Ivan Gotti und Wladimir
Belli sowie Bobby Julich. Die Veranstalter machten das Beste aus dieser Lage,
indem sie von einer »Tour der Erneuerung« sprachen.
    Wie die meisten gab ich Lance keine großen Gewinnchancen, vor allem,
weil er am Berg erst noch beweisen musste, dass er in der Spitze mithalten
konnte. Außerdem machte ich mir Sorgen wegen unserer Motoman-Verschwörung.
Jedes Mal, wenn ich einen Gendarmen sah, dachte ich an Philippe, der irgendwo
da draußen mit unserem EPO und dem Mobiltelefon
herumkarjolte. Wenn er nun angehalten und kontrolliert wurde? Wenn er alles
gestand – der Polizei, der Presse? Auf einmal kam mir die Motoman-Geschichte
wie ein irrsinnig riskantes Glücksspiel vor. Wenn Lance sich ebenfalls Sorgen
machte, zeigte er es nicht. Er ist immer dann in seinem Element, wenn er einen
Einsatz wagt, einen Schritt weitergeht, seinen Zug macht. Wenn er mir meine
Sorgen ansah, beruhigte er mich sogleich. Es klappt schon.
Die Sache ist narrensicher. Wir werden ihnen alle die beschissenen Ohren lang
ziehen. Auch Johan Bruyneel war offenbar sehr zuversichtlich.
    JONATHAN VAUGHTERS : Ein paar Tage vor
dem Tourstart ging ich zu Johan und fragte ihn geradeheraus, ob das Team
irgendetwas nach Frankreich einschmuggeln würde. Ich hatte gesehen, wie es dem
Festina-Team ergangen war, und, ehrlich gesagt, eine Scheißangst, verhaftet zu
werden. Ich frage Johan also: »Wir bringen doch nichts Illegales nach
Frankreich mit, oder?« Johan lächelt, ein breites wissendes Lächeln, und
erwidert: »Du musst dir überhaupt keine Sorgen machen.«
    Das Komischste war, dass die Tour fast geplatzt wäre,
bevor sie auch nur begonnen hatte. Einen Tag oder so vor dem Start berichtete
Johan, offizielle Tests der Veranstalter hätten gezeigt, dass mehrere unserer
Hämatokritwerte gefährlich nahe daran seien, die 50-Prozent-Grenze zu
überschreiten. Ich weiß die genauen Zahlen nicht mehr, aber sie lagen alle in
den oberen Vierzigern. George war 50,9 (damals wurde die Sperre noch so
interpretiert, dass man noch fahren durfte, solange eine 50 vor dem Komma
stand; später wurde der Wert auf 50,0 gesenkt). De facto war keiner von uns
positiv, aber doch verdammt dicht dran, und das sah in den Augen der UCI nicht besonders gut aus. Ich weiß noch, Jonathan
Vaughters war besonders besorgt. Nun, wir machten uns daran, das Problem auf
die übliche Weise zu lösen: Wir nahmen Salztabletten und tranken so viel Wasser
dazu, wie es nur ging. Jonathan erzählte, er habe in dieser Nacht alle zwei
Stunden aufs Klo gemusst.
    Dann wurde es noch einmal ganz, ganz eng. Am Tag des Prologs fuhren
wir den 6,8   Kilometer langen Parcours ein letztes Mal ab, und Lance wollte
testen, ob er die letzte schwere Steigung in einem großen Gang bewältigen
konnte. So pufferte er in vollem Speed auf der Ebene los, schaute kurz runter,
um die Kettenblätter zu checken – als direkt vor ihm ein Fahrzeug des
Streckenfunks mitten in die Straße zog. Lance wäre tatsächlich ungebremst in
ihn hineingebrettert, hätte George das Auto nicht gesehen und sofort
losgebrüllt. Lance sah gerade noch rechtzeitig hoch, drehte sich

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