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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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so sauber wie ein Neugeborenes.
    Dennoch mussten wir vorsichtig sein. Als ich in Girona lebte, wurde
es einmal ziemlich eng. Wir hatten Besuch von einem alten Schulfreund und
seiner Frau, und wahrscheinlich war ich abgelenkt, jedenfalls ließ ich mein
Testosteron-Pflaster viel zu lange dran – sechs Stunden statt zwei. Als ich es
dann merkte – ich fühlte, wie sich das Pflaster auf meinem Bauch wellte –,
wurde ich nervös. Ich war im roten Bereich und würde es den ganzen nächsten Tag
lang bleiben.
    Früh am nächsten Morgen ging ich zum Training, und zum Glück
tauchten die Tester auf, während ich weg war. Haven rief mich an, und statt
nach Hause zu fahren, fuhr ich zu einem Hotel und übernachtete dort. Unseren
Besuchern war das nur schwer zu erklären, aber am Ende war es die richtige
Entscheidung. Einen Strike zu bekommen, war keine große Sache. Aber wenn man
mich erwischt und positiv getestet hätte, wäre es eine Katastrophe gewesen: Ich
hätte meinen Job verloren, meine Sponsoren, mein Team und meinen guten Ruf. Ich
hätte Postal in Gefahr gebracht und die Jobs meiner Freunde. Wegen der
französischen Ermittlungen enthielten unsere Verträge mit Postal von 2001 eine
Klausel, die es Postal erlaubte, den Vertrag mit jedem Fahrer zu kündigen, der
gegen die Anti-Doping-Vorschriften verstieß. Wie Lance und alle anderen lebte
ich nur eine kleine Spanne, ein verbotenes Molekül entfernt von Ruin und
Schande. [3]
    Im Vergleich mit der Ahnungslosigkeit der Tester hatte
Lance stets alle Antennen ausgefahren – insbesonders in Dopingfragen. Er
beobachtete jeden. Er suchte nach verdächtigen Leistungssprüngen. Er achtete
darauf, wer mit welchem Arzt zusammenarbeitete. Er wollte herausfinden, wer
mehr dopte, plötzlich aggressiv und ehrgeizig war oder neue Ideen hatte – kurz:
wen er im Auge behalten musste.
    Vor der Tour 2001 hatte Lance seine Augen und Ohren überall. Er
wusste, dass Ullrich in Südafrika trainierte. War es ein Zufall, dass dort
gerade erst ein Blutersatzmittel namens Hemopure zugelassen worden war? Er
wusste, dass viele junge, vielversprechende spanische Fahrer in Madrid mit
einem Arzt namens Eufemiano Fuentes zusammenarbeiteten. Er wusste, dass Pantani
gerade durchdrehte und Kokain und andere Partydrogen nahm. Vor allem aber
wusste er, dass der neue EPO -Test im Frühjahr
eingeführt werden sollte und dass zugleich neue, nicht nachweisbare EPO -Varianten entwickelt wurden. Das Spiel veränderte
sich ständig.
    Lance nutzte die Rennen als Nachrichtenbörse, er achtete darauf, was
dort geredet wurde, und sammelte Insider-Informationen. Manchmal fuhr er neben
einem Fahrer her – oft einem Italiener oder Spanier, die bekanntermaßen
mitteilsam waren – und fragte sie einfach, auf seine direkte,
unwiderstehliche Art: Was war denn so los? Was gab es Neues? Wer war
ungewöhnlich gut in Form? Wie sah Ullrich aus? Wie lief Pantanis Bergtraining?
Mit welchem Arzt arbeiteten sie zusammen? Die Fahrer legten Wert darauf, sich
mit Lance gut zu stellen, denn sie wussten, dass er die Möglichkeit hatte,
ihnen entweder zu helfen oder zu schaden.
    Auch über mich wusste Lance einiges. Eines Tages fuhren wir in den
Hügeln über Nizza, als er erwähnte, dass das Postal-Budget durch die teuren
Neuverpflichtungen von Heras und der Armada überzogen sei. Und dann erwähnte er
etwas, von dem er eigentlich nichts hätte wissen dürfen: jene 100   000   Dollar
Vertragsprämie, die ich als Teil des Teams verdient hatte, das die Tour
gewonnen hatte.
    Ich war verunsichert. Mein Vertrag mit Postal ging niemanden etwas
an, am allerwenigsten Lance. Richtig entnervt war ich dann, als Lance
vorschlug, ich solle auf meine 25   000   Dollar Tourprämie von ihm verzichten und
sie dem Team überlassen, um das Budget zu entlasten. Er ließ es so rüberkommenen,
als sei es eine coole, originelle Idee – und zugleich, dass ich zustimmen
müsse, wenn ich ein echter Kumpel sei.
    Im Rückblick war sein Vorschlag gleich in mehrfacher Hinsicht nicht
in Ordnung, denn er verletzte damit meine Privatsphäre, ganz zu schweigen
davon, dass seine Idee dem gesunden Menschenverstand widersprach. Lance konnte
es sich mit Leichtigkeit leisten, mir das Geld zu geben, das mir zustand.
Immerhin verdiente er schon mit einem einstündigen Vortrag das Vierfache davon.
Aber damals hatte ich das Gefühl, ich hätte keine andere Wahl als zu sagen:
Klar, Boss, ich leg was drauf. Ich hatte erlebt, was mit Kevin und Frankie
passiert war, und

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