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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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des Tragkörpers der eines Vogelkörpers ähnelte, sodass er sich auf natürliche Weise in diese Richtung drehen würde.
    Konnten sie sich in dieser Nacht einfach treiben lassen und sich ein wenig von ihrer Flucht erholen? Um Hethor lagen die kleinen, haarigen Männer auf dem Deck, erschöpft und schweißgebadet. Die meisten kümmerten sich um Verwundungen.
    Hethors Angst war verschwunden. Er zog sich an der Reling hoch und schaute hinunter auf die Stadt der Hexenmeister und Schatten. Er konnte die kreisrunden Mauern deutlich sehen, denn die Straßen schienen von demselben starren Licht erhellt zu werden wie der Leuchtturm. Er war wie ein großes Auge, dass den Nachthimmel nach Sünden und Schurkereien absuchte.
    Oder nach gestohlenen Luftschiffen, dachte Hethor mit einem bitteren Lächeln.
    Es war ein starres Auge, das ihn mit loderndem Hass betrachtete und mit dem Schrecken eines jeden Schattens einer jeden Kindheit bewaffnet war, aber von oben betrachtet war dieses Auge dennoch blind. Hethor wurde klar, dass es der Geist des Ortes war – eine Macht, die über ihren Herrschaftsbereich hinaus nicht mehr von Belang war.
    Er wollte unbedingt etwas zu trinken und dann lange schlafen. Sein Körper schrie nach Erholung. Aber diese Nacht verlangte ihm zuerst eine Pflicht ab.
    »Ich will die Seele des Navigators Gott übergeben«, sagte er zu Arellya, als er sie auf dem Vordeck fand. »Es ist meine Aufgabe, aber du und dein Volk sind herzlich eingeladen, daran teilzuhaben.«
    Zitternd vor Erschütterung nickte Arellya. Eine weitere Angewohnheit, die sie von ihm übernommen hatte.
    »Einst hörte ich einen Stammesführer eines Bootes der Lüfte sagen, dass in der Vergangenheit ein großes Dorf brannte«, wandte Hethor sich dann an die versammelten Angehörigen des vergessenen Volkes. Nach hektischer Suche hatte man unter Deck Seide gefunden, die Simeon Malgus nun als Leichentuch diente. Er lag zu Hethors Füßen, drei Speere unter dem Körper.
    »Die Vergangenheit meines Volkes ist voller Feuer und Furcht«, fuhr Hethor fort. »Dörfer und Städte bekämpften einander, wie die Affen sich um Reste prügeln. Und das, obwohl mein Volk in Reichtum lebte.
    Der Navigator war ein Mann meines Volkes, der mehr als einem Stammesführer gehorchte. Obwohl wir alle das Recht haben, verschiedenen Stimmen zu folgen, halten die Menschen meines Volkes nichts davon, wenn man dem einen zuhört und einem anderen dann insgeheim die Treue schwört. Der Navigator hat das getan. Dennoch war er ein guter Mann.
    Doch er behandelte mich, wie ihr ein seltsames Tier behandeln würdet. Er nahm mir meine Kunst und zerstörte sie. Er vertrieb mich mit Schreien und Drohungen und mied mich danach. Dennoch war er gut zu mir.
    Am Ende wurde er auserwählt, mein Führer zu sein – gegen seinen Willen. Er führte mich durch ein Tal der Gefahren und starb dann in einer Stadt aus Steinen und Magie, und das wegen mir. Dennoch zeigte er mir meinen Weg.«
    Hethor zögerte, denn der saure Geschmack von Galle lag in seinem Mund, und Tränen brannten ihm in den Augen. Er wollte schreien, wollte Malgus verfluchen und den Abt des Jade-Tempels verdammen, weil dieser Malgus zu Hethors Führer ernannt hatte. Doch unter dem Nachthimmel und Gottes Blick wollte er keine Verwünschungen gegen die beiden Männer ausstoßen.
    »Der Navigator bereitete mir den Weg. Er brachte den Boten zum vergessenen Volk, auch wenn seine Methoden uns seltsam erscheinen mögen. Der Navigator starb mit dem Namen des Herrn auf seinen Lippen.«
    Eine Lüge, dachte Hethor, aber die richtige.
    »Mit dem Namen des Navigators auf meinen Lippen – Simeon Malgus in der Sprache, die er und ich uns teilten –, vertraue ich ihn Gott an, der ihn erschaffen hat.«
    Hethor nickte, und sechs junge Männer traten vor, nahmen die Speerschäfte und ließen Malgus’ Leiche in die Dunkelheit fallen. Hethor trat an die Reling und betrachtete die sternenbeschienenen Fluten, die weit unter dem Luftschiff glitzerten. Obwohl er lange Zeit hinunterblickte und genau hinhörte, sah und hörte er nicht, wie der Leichnam auf dem Wasser aufschlug.
    Schließlich blickte er zur Erdumlaufschiene hinauf, die wie ein Messingfaden am Nachthimmel funkelte. Die Musik der Schöpfung hallte noch in seinen Ohren nach, auch wenn sie bei Weitem nicht mehr so laut war wie das Getöse des Monsters auf dem Kai.
    »Vielen Dank, Simeon Malgus«, sagte Hethor zu den Sternen.
    Er fand auf Deck einen Platz zum Schlafen und vertraute auf sein

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