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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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»Aber dein Volk lebt in der Nähe der Mauer, wo die Sonne immer warm ist.«
    »Wenn deine Heimat von Zeit zu Zeit so kalt ist«, sagte Arellya, »würde ich sie nicht besuchen wollen. Warum jemand in dieser Kälte leben will, ist mir unverständlich.«
    »Wenn ich mein Ziel erreichen will, müssen wir eine noch schlimmere Kälte überstehen.«
    Aber wie sollten sie das überleben? Das vergessene Volk hatte weder Wollsachen noch schwere Mäntel oder Stiefel. Auch Hethor selbst nicht. Wie dieses Luftschiff gesteuert wurde und wie es die Verpflegung der Mannschaft ermöglichte, grenzte an ein Wunder, aber es war offensichtlich von einem Volk gebaut und genutzt worden, das aus den Tropen stammte. Hethor war sicher, dass sie an Bord keine Pelze oder anderes entdecken würden, mit denen sie sich wärmen konnten.
    Aber er würde eine Lösung finden. Er hatte bis jetzt noch jedes Hindernis überwunden, das sich ihnen auf ihrer Fahrt in den Weg gestellt hatte, und daran würde sich nichts ändern.
***
    Die Sonne zeigte sich tagelang nicht. Im Schneckentempo passierten sie Afrika, das unbemerkt weit unter ihrer Backbordreling lag. Einmal heulte etwas im Wasser unter ihnen, eine Stimme, die dem Leviathan hätte gehören können, aber sie konnten nicht erkennen, um was es sich handelte. Allerdings wurde das Angeln schwieriger, aber wenn sie etwas fingen, war es mehr als sonst.
    Hethor betrachtete den Messingglobus und sein blinkendes Licht, während Afrika sich zuerst zu einer Spitze verjüngte und dann im Osten hinter ihnen verschwand. Er wunderte sich über das Wetter: Es war kein großes Hindernis, aber die frostigen Wolken bedrückten das vergessene Volk. Die kühle Feuchtigkeit bewirkte, dass sie in jammernden kleinen Gruppen zusammenkauerten, oder sie versuchten sich widerwillig unter Deck zu verstecken. Die Tage wurden kälter, und immer mehr Eis erschien auf der Herz Gottes , vor allem früh am Morgen.
    Dann, eines Tages, kehrte die Sonne zurück. Hethor kam an Deck und wurde von einem leuchtend hellen Licht begrüßt, das ihn die Augen zusammenkneifen ließ und sofortige Kopfschmerzen verursachte. Dennoch war die Luft so eiskalt, wie sie es im Nebel immer gewesen war.
    Unter ihnen lag der Ozean. Schaumgekrönte Wellen rollten über das Meer. Hethor hatte nie größere gesehen, abgesehen von den monströsen Wogen, die das Erdbeben hervorgerufen hatte und die zu Beginn ihrer Reise über die Küste hereingebrochen waren. Von Horizont zu Horizont war nur Wasser zu sehen. Die Mauer und das feste Land unter ihnen waren längst verschwunden; nur viele große weiße Felsen waren im Ozean zu sehen.
    Nachdem Hethor sie eine Zeit lang beobachtet hatte, begriff er, dass diese Felsen aus Eis bestanden. Es waren riesige Eisbrocken, die im Wasser unter ihnen schwammen. Einige von ihnen besaßen die Größe einer Stadt. Andere waren so groß wie ganze Länder.
    Wie kalt war das Wasser?
    Hethor war vom Pol und der Antriebsfeder der Welt noch weit entfernt. Wenn die Herz Gottes hier zur Landung gezwungen wäre, würden er und seine Begleiter binnen weniger Minuten in der Kälte erfrieren. Sie waren weit von Gott und den Menschen entfernt, und die Lösung seiner Aufgabe lag noch in weiter Ferne hinter der Rundung der Welt.
    Obwohl Arellya in seiner Nähe stand und das vergessene Volk als seine Schiffsmannschaft diente, fühlte Hethor sich plötzlich so einsam wie noch nie in seinem Leben.

11.
    Die Küste des südlichsten Kontinents glitt viele Tausend Meter unter der Herz Gottes vorbei. Die Nächte waren über dem Südlichen Ozean kälter und länger, und wenn schließlich der Morgen kam, folgte ein sehr kurzer Tag. Offensichtlich war die Südliche Welt trotz der Jahreszeit im festen Griff des Winters gefangen. Für Hethor war das einleuchtend, denn er hatte dasselbe über den Nordpol gelesen. Vielleicht gab es eine natürliche Balance zwischen den Welten zu beiden Seiten der Mauer.
    Die aufgehende Sonne begrüßte sie mit einem fahlen Licht, das beinahe fast etwas Blechernes an sich hatte. Der Wind brachte klirrende Kälte mit sich, die Hethor an die rauen Winter in Neuengland erinnerte und genauso schneidend war. Selbst so weit oben in der Luft konnten sie den Gestank verfaulenden Strandguts riechen, das an die eingefrorene Küste gespült worden war – außerdem den Vogeldreck, Seetang und was die Kiesstrände in den sechstausend ungestörten Jahren seit der Schöpfung sonst noch hatte verkrusten lassen.
    Doch mitten in dieser

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