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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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afrikanischen Nacht schien es der richtige Name zu sein.
    »Herz Gottes. Ein schöner Name.«
    »Wir sollten eine Zeremonie abhalten. Ein Festmahl zu Gottes Ehren.«
    »Jeder Tag ist ein Fest zu Gottes Ehren.«
    Als sie es den anderen mitgeteilt hatten, tanzten diese die ganze Nacht hindurch. Ihre haarigen Füße klatschten im Rhythmus auf die Decksplanken, bis der Mond längst untergegangen war und im Osten das Feuer des anbrechenden Tages erglühte.
    Sechzehn Tage, nachdem sie die gigantische Stadt hinter sich gelassen hatten, wurde Hethor in seiner Kabine von einem panikerfüllten Salwoo geweckt. Der junge Mann riss die Luke auf und rief Unverständliches.
    Hethor war froh, dass Arellya schon gegangen war – das tat sie oft –, obwohl er genau wusste, dass Salwoo nichts gesagt hätte, wäre sie bei ihm gewesen. »Was ist? Sprich langsamer.«
    »Juwelen!«, stieß Salwoo hervor. »Es sind Juwelen auf dem Schiff! Und die Sonne ist gestorben!«
    Hethor durchlief es eiskalt. War er gescheitert? Oder kannte die Südliche Hemisphäre eine andere Art der Sonnenfinsternis?
    Er sprang auf, zog sich hastig seine Leinenunterwäsche an und folgte Salwoo auf Deck. Einige der jungen Männer jammerten. Andere hatten sich mittschiffs zusammengedrängt. Arellya war bei ihnen, redete mit ihnen und beruhigte sie. Ihre Hand berührte sanft die Schultern vieler Unglücklicher.
    Die Herz Gottes war eingenebelt und von einer eiskalten Wolke vollständig umgeben. Hethor konnte das Heck nicht sehen, und von der Stelle aus, an der er stand, vermochte er nur mit Mühe den Bug zu erkennen. Außerdem war es fast dunkel, denn die Wolke war groß und dicht. Die Kälte hatte sich als Feuchtigkeit niedergeschlagen und war an den Nähten des Tragkörpers zu kleinen Eiströpfchen erstarrt, ebenso an den Stützen, die das Deck trugen, und an der Schiffsreling.
    Hethor war froh über seine immer dichtere Gesichtsbehaarung, auch wenn sein Atem in seinem Bart verharschte.
    Mit einem Mal erkannte er den Grund für Salwoos Panik. Es gab in der Sprache des vergessenen Volkes kein Wort für »Eis«. Sie hatten so etwas noch nie gesehen.
    »Ist es das, was nach dem Leben kommt?«, flüsterte Salwoo, offensichtlich immer noch verängstigt.
    »Das ist nur Wasser«, sagte Hethor. »Große Kälte verwandelt Wasser in eine Art Stein. Es fließt wieder, wenn die Wärme zurückkehrt.« Er trat an die Reling, brach einen kleinen Eiszapfen ab und hielt ihn in seiner Hand, um ihn Salwoo zu zeigen. »Schau her. Siehst du, er flieht bereits vor der Wärme meiner Berührung.« Er war kalt, furchtbar kalt auf seiner Haut, aber er wollte ihm diesen Punkt klar machen.
    »Wir sind also im Großen Salzfluss?«
    Hethor lachte, obwohl er es zu verhindern versuchte. »Nein, nein, wir sind in einer der Himmelswolken.«
    »Wir sind schon früher in Wolken gewesen«, widersprach ihm Salwoo. »Sie waren wie Nebel auf dem Wasser. Das hier ist dicht und kalt genug, um uns zu töten.«
    »Süden«, sagte Hethor. »Der Süden ist kalt.« Offenbar nähern wir uns dem Pol, wurde ihm klar. Aber das ergab keinen Sinn, es sei denn, sie waren im Lauf der Nacht sehr weit nach Süden getrieben worden. »Lass uns das Ruder kontrollieren.«
    Er und Salwoo entfalteten das Gehäuse des Steuerpults. Der leuchtende Punkt auf dem kleinen Globus gab ihre Position immer noch vor der afrikanischen Küste an. Zwischen ihnen und dem Land, das den Pol bedeckte, lag noch viel Wasserfläche.
    Winter? Im Juli?
    Wenn ja, war die Südliche Hemisphäre tatsächlich eine andere Welt.
    Hethor ging zu dem vergessenen Volk, das immer noch zusammengedrängt auf Deck kauerte. »Bei meinem Volk«, begann er und sprach so laut, dass die gesamte Besatzung ihn hören konnte, »in unserem Land gibt es eine Jahreszeit, die kaltes Wetter bringt. Sehr kalt, sodass das Wasser zu diesem Fels aus Juwelen wird, den ihr an unserem Boot der Lüfte sehen könnt. Unser Wort dafür ist Eis . Es wird euch nicht wehtun, es sei denn, ihr lasst zu, dass eure Körper zu kalt werden. Eis könnt ihr anfassen, sogar essen. Es ist Teil von Gottes Welt. Es gibt nichts zu befürchten, nicht hier und nicht jetzt.«
    Als er gesprochen hatte, plapperten die jungen Männer zuerst aufgeregt und standen dann auf, um Frost und Eis zu erkunden. Hethor hatte es geschafft – ihre Angst war dank seiner Worte verflogen.
    Arellya kam zu ihm. »Es war gut, dass du zu ihnen gesprochen hast.«
    »Ich habe das Problem zuerst nicht verstanden«, gab Hethor zu.

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