Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
schweigend da, umgeben vom Ticken der Uhren, eine endlose mechanische Welle, die an eine Messingküste brandete.
»Es hätte dir eine Menge Ärger erspart, hättest du mir die Feder gestern Nacht gezeigt«, sagte Meister Bodean schließlich leise. »Ich bin zu alt, um noch einen Lehrling auszubilden.«
»Es war nicht seine ...«, setzte Hethor an, doch Meister Bodean hob Schweigen gebietend die Hand.
»Ich weiß, dass Pryces Behauptung nicht stimmt. Die ganze Wahrheit kenne ich nicht, aber das ist auch nicht wichtig, Junge. Mein Sohn ist ein gelehrter Mann, der bald zum Priester geweiht wird. Außerdem gehört er zur Familie. Aus diesen beiden Gründen muss ich seinem Wort mehr Glauben schenken als deinem. Selbst wenn irgendeine Bibliothekarin gegen ihn aussagt. Hätte er mich direkt darauf angesprochen, ohne Faubus hineinzuziehen, hätte ich die Wahrheit schon aus ihm herausbekommen. Aber ich kann meinen Ältesten nicht vor seinem Bruder als Lügner entlarven. Selbst wenn ich weiß, dass er lügt.«
»Und was ist mit mir?«, schrie Hethor. »Ich bin kein Lügner. Der Engel ist zu mir gekommen, mit einer Nachricht, und er hat mir diese Feder als Zeichen hinterlassen. Ohne dieses Zeichen wird niemand der Nachricht vertrauen.«
Meister Bodean wirkte noch trauriger. »Du sprichst von Vertrauen? Du, der mir nicht genug vertraut hat, um mir von dieser wunderbaren Botschaft zu erzählen? Ganz zu schweigen von dem Zeichen?«
»Ich ... ich habe die Botschaft nicht verstanden.« Hethor starrte wieder auf seine Füße. »Ich verstehe sie immer noch nicht. Aber wenn ich mehr darüber gewusst hätte, wäre ich nach Hause gekommen und hätte Sie um Erlaubnis gebeten, nach Boston gehen und den Vizekönig aufsuchen zu dürfen.«
»Dein Wunsch wird dir gewährt, Junge«, sagte Meister Bodean. »Du brauchst keine Erlaubnis mehr. Ich werde dich nicht auspeitschen lassen. Dein Vater hat für alles bezahlt.«
»Ich muss nach oben gehen und ...«, begann Hethor, doch Bodean unterbrach ihn.
»Ich will dich nicht mehr in meinem Haus sehen. Da oben findest du nichts, das nicht ohnehin mir gehört. Weil ich ein großzügiger Mann bin, darfst du die Sachen behalten, die du am Leib trägst, obwohl ich mir von Pryce deswegen einiges werde anhören müssen.«
»Oh.« Hethor kam sich dumm vor. Er stellte die Bücher ab.
»Hör zu, Junge«, sagte Bodean noch leiser und schlurfte durchs Zimmer auf Hethor zu. Er wirkte älter als je zuvor. »Wenn du ein ordentlicher Geselle geworden wärst und dich vernünftig angestellt hättest – und wir wissen beide, du hättest es gekonnt –, hättest du diesen Laden als Meister übernehmen können, wenn ich meine Arbeit einst niederlege. Jetzt werden meine Söhne das Geschäft bekommen, und sie können es nach Belieben vermieten oder verkaufen. Mein Geld wird dann ihnen gehören und nicht dir, verstehst du? Es gibt viele Gründe für alle Dinge, die auf der Welt geschehen. Du hast dich nie gefragt, warum ich dich nicht nach Yale geschickt habe, nicht wahr? Einer der Gründe war, dich vor dieser Habgier zu schützen.«
Er umarmte Hethor, der wie angewurzelt dastand, um dieser Geste der Zuneigung zu widerstehen.
Bodean flüsterte ihm ins Ohr: »Bring deine Nachricht nach Boston, und möge Gott mit dir sein. Was ich dir in die Jackentasche gesteckt habe, ist der Rest vom Geld deines Vaters. Du musst jetzt gehen. Ich bin mir sicher, dass meine Söhne jemanden darauf angesetzt haben, den Laden zu überwachen.«
Ohne ein weiteres Wort drehte Hethor sich um und verließ das Geschäft. Er zog die Jacke straffer, stapfte die King George III Street entlang in Richtung Norden und bog in die Landstraße nach Boston ab. Mit dem Geld in seiner Tasche konnte er sich vielleicht eine Zugfahrt leisten oder wenigstens einen Platz in einer Kutsche.
Zwei Querstraßen weiter trat Faubus unvermittelt aus einer Gasse hervor, begleitet von zwei Schlägern, die Hethor ein Bein stellten, sodass er auf den steinernen Bürgersteig stürzte. Faubus durchsuchte seine Taschen und fand eine Geldrolle, die mit einer Kordel zusammengebunden war. »Pryce hatte recht. Du bist ein Dieb! Stiehlst einem alten Mann sein Geld, wenn du sein Haus verlässt!«, zischte er. »Wenn ich dich noch ein einziges Mal sehe, bringe ich dich um.« Er trat Hethor in die Rippen und ließ ihn achtlos liegen.
Lange Zeit lag Hethor einfach nur da und zählte die Kopfsteine. Schließlich kniete sich eine junge Frau in der Uniform der Heilsarmee neben
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