Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
hereinbrechenden Dunkelheit, die die gesamte Nördliche Hemisphäre zu erfassen schien, zu Boden kippte.
***
    Der nächste Morgen bestand für Hethor und Le Roy fast nur im Austausch verschlafener Grunzer. Selbst Le Roys Esel schienen sich vom Maisschnaps erholen zu müssen. Hethors Kopf fühlte sich an, als hätte er zu viel Zeit in Meister Bodeans Standuhr verbracht und wäre dabei unaufhörlich vom großen Metallpendel verprügelt worden. Auf seiner Zunge lag der Geschmack von Hühnerfleisch mit Federn, und sein Magen brodelte wie saure Sommeräpfel.
    Der Karren zuckelte über die Landstraße, während Le Roy über den Zügeln schnarchte. Hethor hatte nicht übel Lust, es ihm gleichzutun, konnte es sich auf dem Sitz aber nicht richtig bequem machen und wurde immer wieder wachgerüttelt. Jedes Geräusch war auf merkwürdige Weise doppelt so laut wie sonst. Bienen summten auf den Feldern, Kühe schlabberten Wasser oder kauten Heu am Rand der Landstraße, und der Rahmen von Le Roys Karren quietschte und knarzte bei jeder Bewegung – eine Symphonie, die nur ein Verrückter hätte komponieren können.
    Hethor rieb sich die Augen und starrte nach Süden. Nach vielen Meilen erreichte man in dieser Richtung den Long Island Sound und den Atlantischen Ozean. Seine mathematischen Kenntnisse und sein gesunder Menschenverstand sagten ihm, dass er die Äquatorialmauer aus Connecticut niemals sehen konnte. Zwar war sie hundert Meilen hoch, war aber erst ab dem siebzehnten Breitengrad zu sehen – ungefähr an Jamaicas Südküste.
    Dennoch hätte Hethor schwören können, dass er im Süden im Licht der Morgendämmerung Messing aufblitzen sah, das sich den Messing-Schienen der Erde auf ihrem Weg durch die Luft anschloss.
    Erstaunt blickte er gen Süden, rieb sich die Augen und schaute erneut auf den niedrig verlaufenden Horizont. Dann versuchte er, unter den Geräuschen der monotonen Symphonie das Ticken der Welt zu hören.
    »Das ist eine von diesen Fata Morganas«, sagte Le Roy plötzlich. »’n Priester hat’s mir mal erklärt. Die Luft wird zu ’ner Art Spiegel und zeigt dir Gegenden, die weit weg liegen. So ungefähr wie Felder, die an heißen Tagen aussehen, als wäre Wasser drauf.«
    »Also keine Zauberei«, sagte Hethor und klang enttäuscht. Dennoch schlug er sicherheitshalber das Zeichen der Räderung über der Brust.
    Schweigend fuhren sie weiter. Hethor dachte über Gabriel und Gott nach, und über das Tetragramm. Gott hatte in seinem unendlichen Wissen die Erde erschaffen, um sie dann im Himmel in den Schienen ihres Orbits aufzuhängen und sich selbst zu überlassen, auf dass der Mensch sich seinen eigenen Weg suche. Nur war der Mensch der Sünde verfallen und hatte den falschen Weg eingeschlagen, und so hatte Gott seinen Sohn entsandt, um als Messing-Christus zu dienen, und hatte die Menschen erlöst, indem er ihnen den Weg zu gerechtem Handeln und Denken zeigte.
    Natürlich wusste Hethor, dass es ketzerische Gedanken gab. Manche Menschen behaupteten, Christus sei erschienen, um die Hauptfeder der Welt wieder aufzuziehen – und dabei sollte er weder der Erste noch der Letzte gewesen sein. Andere behaupteten, die Welt sei von Riesen erschaffen worden – auf ähnliche Weise, wie die heutigen Menschen Zäune und Scheunen für ihr Vieh bauten. Als Lehrling eines Uhrmachers war Hethor in gewisser Weise Teil dieser Ketzereien, denn das Nachhalten der Zeit war einigen der fanatischsten Gläubigen Beweis genug, dass hier das Messing-Werk des Herrn infrage gestellt wurde; Gottes Werk zu vermessen erschien ihnen als Zweifel am Göttlichen.
    Trotz allem hatte das Leben in New Haven stets den Eindruck vermittelt, weit weg von den legendären Erzählungen der biblischen Tradition zu sein.
    Bis Gabriel in Hethors Kammer erschienen war, um ihm eine Pflicht aufzuerlegen.
    An was glaubte er denn nun? An Gott?
    Natürlich.
    Die Beweise für die Existenz des Göttlichen waren erdrückend. Jeder Aspekt der Schöpfung verriet Gottes Sein. Ketzern fiel es oft schwer, ihre Argumente vorzubringen im Angesicht eines Himmels, in dem sich nicht nur Messing befand, sondern auch der Beweis für eine Vision lag, die offensichtlich von einer überlegenen Intelligenz und unvorstellbarer Macht vorangetrieben worden war.
    Was die Gläubigkeit betraf, nun ... Pryce Bodean war gläubig und würde innerhalb der Kirche wohl seinen Weg machen. Hethor hatte am eigenen Körper erlebt, was christliches Mitgefühl für Pryce bedeutete.
    Er seufzte,

Weitere Kostenlose Bücher