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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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mit einem kleinen Lächeln. »Er wird ein Landei vor sich sehen und gar nichts durchschauen, so leid es mir tut. Nichtsdestotrotz ist es Ihre Geschichte, also erzählen Sie sie, wie es Ihnen gefällt. Seine Lordschaft nimmt jede Woche im Rahmen morgendlicher Sitzungen Petitionen und Beschwerden entgegen. Ich werde Sie ihm vorstellen, sobald es mir geeignet erscheint.«
    »Es ist offensichtlich, dass diese kleinen Räume der Übermittlung von Geschichten vorbehalten sind«, sagte Hethor, der wider Erwarten Mut fasste. »Geschichten, die Sie oder die Mitglieder Ihrer Sondereinheit regelmäßig an den Vizekönig weiterleiten. Warum also geben Sie meine Geschichte nicht auf die übliche Art an ihn weiter?«
    »Weil ich Ihre Geschichte glaube«, sagte Phelps, dessen Lächeln mit einem Mal betrübt wirkte, »im Unterschied zu so manchen Märchen, die mir in diesen Räumen aufgetischt werden. Wenn es an mir läge, die Geschichte zu erzählen, hätte der Engel mich aufgesucht.«
    *
    Später an diesem Abend kam ein Mann mit einem kleinen Rollwagen herein. Er hatte dunkle Haut, doch seine Kleidung wies ihn weder als Sklave noch als Diener aus. »Mister Phelps sagt, Sie können hier bleiben, Maan, bis man Sie abholt«, sagte der Neuankömmling im volltönenden Singsang eines karibischen Akzents. Seine Stimme brachte Hethor auf den Gedanken, dass Bäume so sprechen könnten. Als der Mann den Raum verließ, ließ er die Tür unverschlossen.
    Hethor nahm den Rollwagen in Augenschein. Unter einer der zugedeckten Schüsseln entdeckte er etwas, was sich als Kabeljau und Erbsenbrei erwies – das Abendessen, nahm er an, wenn es auch schon fast kalt war. Unter der anderen Schüssel verbarg sich ein Gericht aus hart gekochten Eiern, Zwiebeln und einem hellen Käse, der von blauen Adern durchzogen war. Auf dem unteren Wagenbrett befanden sich ein Waschbecken und ein Nachttopf, zusammen mit einem gefüllten Wasserkrug, einer Kleiderbürste und einem Lappen.
    Wie die meisten Leute in New Haven, hatte auch Meister Bodean fließendes Wasser sein Eigen nennen können. Doch den Gästen im vizeköniglichen Keller stand dieser Luxus offensichtlich nicht zu.
    »Vielen Dank«, sagte Hethor zu den Mauern, nur halb im Scherz. Es hätte ihn nicht überrascht, hätte Mister Phelps alles, was er sagte, sofort gehört oder wäre durch ein Mitglied seiner Sonderheit darüber informiert worden.
    Hethor nutzte die letzten Minuten, die Phelps’ Kerze noch Licht spendete, bevor sie mit einem Flackern verlosch, um seine Jacke und Hose so sauber wie möglich zu bekommen. Mit Wasser und Lappen wischte er sich den Schmutz von Händen und Gesicht, so gut er konnte. Danach verwendete er den Rest seiner Energie darauf, seine Stiefel in Ordnung zu bringen, denn er erinnerte sich an den Kommentar des alten Bauern, dass manche Leute nur auf die Schuhe der Menschen achten. Danach aß er ein wenig vom Kabeljau, der ihm noch nie sonderlich geschmeckt hatte. Der Erbsenbrei half, den bitteren und versalzenen Fisch zu vergessen. Schließlich legte Hethor sich auf das Sofa, um sich auszuruhen. An diesem Abend hatte er Angst vor dem Einschlafen, denn er fürchtete die tickende Trance, die ihn so viele Stunden des Tages hatte verlieren lassen. Doch sein Körper ignorierte diese Befürchtung und erlag der Verheißung des weichen Kissens und der seltsam duftenden Dunkelheit im Raum.
    Hethor schlief ein und träumte die meiste Zeit von Kabeljau, Kerzen und einem Feuer, das hoch am Himmel brannte.
***
    »Aufstehen, Maan.« Der Mann aus der Karibik weckte Hethor. »Seine Lordschaft will dich bald sehen.«
    Noch halb im Schlaf stopfte Hethor sich ein Ei und eine Zwiebel in die Jackentasche, biss rasch in ein Stück Käse und zog seine Stiefel an. Der Käse war überraschend kräftig und herzhaft, und er bekam ihn kaum herunter, als er dem dunkelhäutigen Mann durch den Flur folgte, sich vom Eingangsbereich entfernte und eine schmale Treppe hinaufstieg. Die Decke erstreckte sich schräg über ihnen. Schwaches electrisches Licht flackerte unmittelbar über der Holztür, die nach draußen führte. Dann fiel hinter ihnen das Mauerstück mit leisem Schnappen zu, und die Tür zu der nach unten führenden Treppe war jetzt nur noch eine Wandvertäfelung.
    »Du schweigst, Maan, bis man dich anspricht.« Der Westinder schnippte Käsereste von Hethors Hemd und Jacke. »Das ist eine Anhörung, keine öffentliche Sitzung. Mach keine Scherze, Maan. Ich rate dir vor allem, ein Auge auf Mister

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