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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Klicken abgeschlossen.
    Da Hethor nicht wusste, was er sonst tun sollte, schaute er sich im Raum um. Ein kurzer Blick nach oben zeigte auch hier das übliche Deckengewölbe. Es stank nach Salz und Schimmel – menschlicher Schweiß und die Ausdünstungen der Ziegelsteine. Die Bar bestand aus einem kleinen Schrank an der Wand, in dem drei Gläser aus geschliffenem Kristall standen, die dringend geputzt werden mussten, dazu eine halbe Flasche Zitronensaft und eine Keksdose. Hethor wischte eins der Gläser mit einem Hemdzipfel sauber, goss sich Zitronensaft ein und öffnete die Dose.
    Wenn es ein Gefängnis war, dann war es ein seltsames Gefängnis. Die Tür allerdings war verschlossen.
    Hethor ignorierte das Schreibpult und nahm auf einem der Sofas Platz.
    Das Fenster lag zu hoch und war zu schmal, um sich hindurchzuzwängen. Außerdem war es von außen vergittert. Die Türscharniere befanden sich auf der Flurseite. Hethor würde in diesem Raum verhungern, wenn niemand vorbeikam.
    Er schloss die Augen und horchte auf die Welt.
    Zuerst, wie immer, hörte er seinen eigenen Atem. Das leise, doppelte Pochen seines Herzens vibrierte in seinen Ohren, als er den Kopf auf das Sofakissen bettete. Dann ging er in sich, ignorierte die Geräusche des eigenen Körpers ebenso wie das Poltern von Wagenrädern auf der Straße vor dem trüben Fenster und das leise Gemurmel von Stimmen draußen auf dem Flur. Bewusst sperrte er diese Laute aus, bis er das leise Ächzen des Fundaments hörte, das sich dem Druck des schweren Gebäudes über sich entgegenstemmte. Wenig später vernahm er das kaum hörbare Rattern der rotierenden Welt.
    Diesmal jedoch schien dieses Geratter – sonst immer das leiseste aller Geräusche, so leise wie das Huschen einer Maus über den Waldboden – lauter zu sein und damit leichter zu lokalisieren. Es schien Hethor fast, als käme es auf ihn zu. Er hielt die Augen geschlossen und lauschte dem Klicken und Surren, das sich anhörte, als stammte es von der größten Uhr der Welt. Es wurde lauter und erfüllte sein Inneres, bis ihm klar wurde, dass das Geräusch von dem Schlüssel herrührte, der sich im Türschloss seines kleinen, aus Ziegeln gemauerten Gefängnisses drehte.
    Hethors Blick huschte nach oben.
    Ein kleiner Mann mit einem riesigen Kopf stand vor ihm. Sein Körper war so winzig, dass es beinahe schon grotesk wirkte. Der Mann trug die Kleidung eines Handwerkers, die nicht viel besser aussah als Hethors, aber sauberer und ohne Falten war. Er hatte krauses rotbraunes Haar und bedachte Hethor mit einem kühlen Blick aus hellblauen Augen.
    »Ich bin Mister Phelps«, stellte der Fremde sich vor. »Lord William hat mir vorgeschlagen, mich noch heute Abend mit Ihnen zu unterhalten.«
    Als Hethor zu Boden sah, bemerkte er die Bruchstücke des Kristallglases zu seinen Füßen. Der klebrige Zitronensaft hatte sich um die Splitter verteilt. Wie lange hatte er schon hier gesessen und der Welt gelauscht? Es mussten Stunden vergangen sein. Vielleicht war er in Trance gefallen.
    »William?«, sagte er und kam sich dumm vor, wie jedes Mal gleich nach dem Aufwachen. »William of Ghent? Der sogenannte Hexenmeister?«
    »Oder vielleicht William, der Lehrling des Fliesenlegers«, sagte Phelps leise. »Offenbar habe ich Sie überrascht.«
    »Nein, nein, ich ... ich bitte um Entschuldigung.« Hethor wollte gerade aufstehen, als ihm klar wurde, dass er um einiges größer sein würde als Phelps. Also setzte er sich unbeholfen wieder hin, eine Hand halbherzig zur Begrüßung ausgestreckt. »Ich bin hier, um mit dem Vizekönig zu sprechen.«
    Was war mit ihm geschehen? Hatte er die Zeit vergessen, als er auf die Welt gehorcht hatte? Hatte er vergessen, wo er war und worum es ihm ging?
    Phelps ignorierte die dargebotene Hand. »Das habe ich gehört.« Der kleine Mann schwang sich auf das Schreibpult und ließ seine schaukelnden Fersen gegen das Giebeldreieck knallen, das den Tisch verzierte. »Mister Cannon aus der Eingangshalle sagt, Sie hätten behauptet, Mitglied der Sondereinheit zu sein, und dass Sie einen gewissen weißen Vogel genannt haben. Bedauerlicherweise hielt Sergeant Ellis Sie für einen Schwindler, als ich ihn in einer Kneipe fand und nach seiner Meinung fragte.«
    »Es tut mir leid, Sir«, sagte Hethor. Albino-Tukan. »Ich weiß nicht, was die Sondereinheit ist.«
    »Tja.« Phelps wirkte nachdenklich. »Das hatte ich mir schon gedacht. Belassen wir es dabei, dass die Sondereinheit sich aus Männern – und

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