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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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eine Schublade tiefer durch die Karten Neuenglands und der Virginias, und noch einmal tiefer durch die Karten der Karibik.
    Malgus hatte eine ungewöhnliche Ordnung.
    Hethor sah sich zwei weitere Schubladen an. Diese Karten wirkten mehr wie Skizzen, nicht wie die gedruckten und kolorierten Blätter aus den oberen Schubladen. Auf den Papieren fanden sich grob gezeichnete Uferlinien und Höhenstufenquerschnitte sowie Hinweise zu Buchten, Häfen und Plateaus an der Mauer entlang der atlantischen Küste, bis sie Guinea erreichten.
    Vorsichtig blätterte Hethor die dünnen Seiten um und entdeckte eine weitere Karte, diesmal die Erdschiene auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne. Sie war voller Notizen zu den Zyklen und Epizyklen des Gleichgewichtssystems. Jemand – Malgus – hatte die Hand Gottes gezeichnet, die einen Schlüssel in den Fingern hielt.
    Hethors Herz setzte einen Schlag aus.
    Der Schlüssel der Ewigen Bedrohung.
    Auf der Rückseite war ein Tempel auf einer Anhöhe zu sehen. Er war im typisch östlichen Stil errichtet worden, wie er im Königreich der Mitte üblich war. Man hatte Hethor erzählt, dass es in Jerusalem und Konstantinopel sehr viele solcher Tempel aus dem Zeitalter der Horde gab, bis spanischer Stahl und englische Anführer die Chinesen und deren Ponykrieger fast bis an die Ufer des Indus zurückgetrieben hatten. Der Tempel schien vor einer Felswand zu stehen, wenn Hethor dem Künstler glauben durfte. Die Bildüberschrift war eindeutig in Malgus’ Handschrift verfasst worden und besagte: »Zurückkehren, überprüfen, wieder aufbauen. Kein Herz.«
    Hethor räumte die Papiere auf, als es gerade zum siebten Glasen der Abendwache schlug. Es war Zeit für die Längenuhr und die lange Kletterei hinauf ins Navigatorennest.
    Ein paar Sekunden lang raste Hethors Herz, als er daran dachte, dass die geflügelten Wilden nachts angreifen könnten. Wie Eckschwanzsperber über einem abgeernteten Feld würden sie sich auf das Rückgrat des Luftschiffes herunterstürzen und ihn, Hethor, so leicht davontragen wie eine quietschende Maus. Doch er verdrängte diese Vorstellung. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen, und es bestand die Notwendigkeit – und zum ersten Mal, seitdem er aus New Haven vertrieben worden war, auch die Chance –, mehr aus sich zu machen.
***
    Am nächsten Morgen saß er mit Wollers über den Karten, die Malgus zurückgelassen hatte, und begutachtete sie zusammen mit der groben Skizze, die vom Boden geborgen worden war.
    »Die Bucht ist hier auf der Zeichnung«, sagte Wollers, »mit einer Warnung: ›Nicht leicht zu entdecken.‹ Ich sehe auf Malgus’ Karte nichts Vergleichbares.«
    »Wir sind irgendwo in diesem Bereich.« Hethor deutete mit seinem Finger östlich des großen Felsvorsprungs, an dem die Schlacht stattgefunden hatte, auf einen Punkt, der als Sepulcrum Caii gekennzeichnet war, ›das Grab des Caius‹. »Wenn die Entfernungen stimmen, werden wir morgen kurz nach Sonnenaufgang nur wenige Meilen von dieser Bucht entfernt sein, sofern wir vorher nicht in einen Sturm geraten. Ich befürchte, dass wir um einiges höher steigen müssen, um sie zu erreichen. Wir sollten diese Nacht langsamer fahren, damit wir nicht über das Ziel hinausschießen.«
    »Einverstanden.« Wollers drehte die Karte, als könnte eine neue Perspektive ihm neue Erkenntnisse vermitteln. »Ich gebe den Befehl weiter. Versuchen Sie heute im Lauf des Tages, die mögliche Position dieser hoch liegenden Bucht zu berechnen. Es könnte sein, dass es ein Muster in den Felswänden an der Mauer gibt, das diese Art der Geheimhaltung besonders fördert.«
    Sie eignen sich alle zur Geheimhaltung, ging es Hethor durch den Kopf, als Wollers die Kajüte verließ. Trotzdem blieb er sitzen und zeichnete mögliche Konstellationen des Landebereichs auf, abgesehen von seinen mittäglichen Messungen, und versuchte sich die vielschichtige Topografie der Mauer im Vergleich zum Aufziehmechanismen von Uhren vorzustellen. Für jedes Problem bei der Gestaltung einer Uhr gab es verschiedene Lösungen, aber normalerweise nur eine, die wirklich Sinn machte und die aus der mechanischen Seele des Gegenstands Kunst entstehen ließ.
    Er glaubte, dass die Mauer sich vielleicht derselben Logik unterwarf.
    Während Hethor arbeitete, hatte er auch die Zeit zu lauschen: auf seinen eigenen Atem, auf die lauten Schritte auf dem Deck über seinem Kopf, auf das gelegentliche Stöhnen und Zittern des Tragkörpers tief unter ihm im Schiffsrumpf, und

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