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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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schließlich auf den Wind, der durch die Takelage pfiff.
    Und immerzu konnte er das Rattern der Erddrehung hören, die Federn, die sich innerhalb der Erdhülle bewegten und die Tage und Jahreszeiten des menschlichen Lebens vorantrieben. Hier oben in der Luft, so nahe der Äquatorialmauer, konnte Hethor den Misston nicht mehr hören, den er vor einiger Zeit noch bemerkt hatte. Die Drehungen der Welt schienen wieder normal vonstatten zu gehen.
***
    Wollers weckte ihn gleich nach Sonnenaufgang. »Stehen Sie sofort auf, Junge, und kommen Sie auf das Poopdeck.«
    Hethor rollte sich aus seiner Hängematte, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und trabte hinter Wollers her, erst über das Hauptdeck, dann die Leiter hinauf zum Poopdeck. Hier war er noch nie gewesen.
    Seekadett Fine schien Deckswache zu haben. Er starrte Hethor mit unverkennbarer Böswilligkeit an. Kapitän Smallwood stand neben den Steuerleuten und blickte an Steuerbord auf die Oberfläche der Mauer. Dieser Bereich war bewaldet, zumindest, soweit Hethor es in der hellen, orangefarbenen Morgensonne erkennen konnte – schlanke, hochgewachsene Bäume in Hellgrün und ein außergewöhnlich merkwürdiges Blätterdach. Sie ähnelten nicht einmal im Ansatz den tiefen Wäldern Neuenglands, auch nicht den tropisch-chaotischen Harthölzern in der Gegend von Georgetown. Dieser Wald bewegte sich im Wind, als wären die Bäume gigantisches Schilf.
    »Was sehen Sie, Matrose?« Smallwood reichte Hethor das Fernglas.
    Hethor hielt es sich vors Auge und zitterte beinahe vor Stolz. Dank seiner Ausbildung bei Meister Bodean verstand er ein wenig von Optik und hatte für seine Aufgaben als Navigator ein Fernglas verwendet, aber dies war das erste Mal, dass er auf direkte Anordnung des Kapitäns Informationen sammeln sollte. Hethor hoffte, sich nicht zu blamieren.
    Nach ein paar Augenblicken der Verunsicherung entdeckte er den schwankenden Wald.
    »Welche Höhe haben wir, Sir?«
    »Knapp zweitausend Meter«, sagte Smallwood.
    Der richtige Teil der Mauer also, auch wenn sie sich immer noch bis ins schier Unendliche über ihren Köpfen erhob und den Rand der Schöpfung Gottes darzustellen schien. Hethor wunderte sich, dass er in dieser Höhe keine Atemprobleme hatte, vor denen viele ihn gewarnt hatten.
    Er betrachtete die Schatten, die vor der Morgendämmerung davonschlichen. »Ausgehend von unseren Karten«, sagte er, »soll es einen Felsvorsprung in dieser Fläche geben. Es ist wohl so, dass dieser Wald die Klippe verdeckt, indem er sie wie ein grüner Teppich überzieht. Wenn wir zehn Grad Ost zu Süd steuern, Schritt fahren und auf unsere Markierungen achten, wird sich ein enges Tal vor uns öffnen. Kühl, dunkel und verborgen.«
    »Gut.« Smallwood nahm das Fernglas wieder an sich und schob es zusammen. »Halten Sie hier mit Oberleutnant Wollers die Stellung und schicken Sie einen Läufer, sobald Sie sicher sind. Ich muss zum Bug gehen und einen Landungstrupp zusammenstellen.«
    Hethor blieb stehen und beobachtete, wie das Luftschiff sich dem Walddach näherte. Er staunte, wie sich die grüne Fläche zu teilen schien, als sie sich dem Rand des Felsvorsprungs näherten. Als er wusste, wonach er suchen musste, erkannte er, dass ihm seine neue Perspektive zeigte, dass der Wald jenseits der Lücke wesentlich kleiner zu sein schien. Die schlanken Bäume mit ihren herabhängenden Ästen verhinderten das leichte Auffinden und störten seine Wahrnehmung.
    »Bambus«, sagte Wollers unvermittelt. »Ein chinesischer Baum, wie Ulmen, nur für diese Teufel.«
    Sie fuhren in ein Tal hinein, das nicht so eng war, wie es zuerst den Eindruck erweckt hatte. Es ähnelte einem hohen Fjord, der aus dem steinumrahmten Himmel herausgeschnitten war. Die Steuermänner manövrierten die Bassett vorsichtig um eine große Kurve. Ein riesiger Lufthafen erschien vor ihnen; seine Konturen entsprachen in etwa dem Umriss, den General Gordon auf seiner Karte eingezeichnet hatte. Vor ihnen befand sich eine Stadt, die sich der Sonne entgegenstreckte und bis zu den schattigen Tiefen des Hafens reichte. Sie bestand aus Holz und Weidengeflechten, senkrechten Türmen, Leitern und Brücken und geschickt angebrachten Befestigungen, die auf Seilen und Stäben balancierten. Es roch nach Frühnebel und feuchtem Holz. Der Duft von Kochfeuern, der kräftige Geruch von Körpern und die geölten Gerüche geschäftigen Handelns fehlten völlig.
    Die Stadt war so still wie ein Friedhof.
    »Sie ist mehrere Meilen hoch.«

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