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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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leider nicht die Zeit, mir beizubringen, wie ich einen Kurs berechne, Sir, aber ich kann die Längenuhren einstellen, unseren Breitengrad abmessen, die momentane Geschwindigkeit berechnen und vergleichbare Aufgaben übernehmen.«
    Wollers, der im anderen Stuhl saß, wechselte Blicke mit Smallwood. Der Kapitän nickte und räusperte sich, bevor er fortfuhr. »Aber Sie könnten die nötigen Messungen vornehmen und sich mit Oberleutnant Wollers im Hinblick auf den Kurs absprechen?«
    So hatte Hethor nicht zu seiner Arbeit zurückkehren wollen. Obwohl er innerlich aufgeregt war, wurde diese Emotion von einem fast genauso starken Gefühl der Beschämung überlagert. Doch die Aufregung behielt die Oberhand: Er würde sich keiner der untergeordneten Willkürherrschaften auf Deck mehr beugen müssen, sondern konnte wieder mit den Instrumenten und der mathematischen Präzision arbeiten, die er bei Meister Bodean so geliebt und unter Oberleutnant Malgus neu entdeckt hatte.
    »Sir ... Ich würde mich freuen, dem Schiff Ihrem Befehl gemäß zur Verfügung stehen zu können.« Der Kapitän musste verzweifelt sein, wenn er ihn mit solcher Höflichkeit fragte.
    »Es ist für England, mein Sohn«, sagte Smallwood und zwang sich zu einem Lächeln. »Wir haben eine grobe Karte mit ungefähren Angaben, die General Gordons Expeditionstruppe zurückgelassen hat. Sie wurde vom Ort des Massakers geborgen. Die Bassett soll ungefähr neunzig weitere Meilen nach Osten fahren und nach einer Art Bucht in einem Felsvorsprung suchen, der etwa zweitausend Meter über dem Meeresspiegel liegt. Das ist um einiges höher als unsere übliche Reisehöhe. Wenn ich recht verstanden habe, wird es schwierig sein, die Bucht mit bloßem Auge zu entdecken, weil sie auf schwierigem Terrain gut versteckt ist. Und unsere Karten von der Mauer sind leider unvollständig. Sie, Matrose Jacques, müssen uns dorthin führen, unter dem Befehl von Oberleutnant Wollers. Die gesamte Schiffsbesatzung und die Erinnerung an die edlen Taten unserer Gefallenen hängen von Ihrem Können ab.«
    »Jawohl, Sir«, sagte Hethor. Seine Euphorie war schlagartig wie weggeblasen. Er wollte Freiheit, keine Verantwortung. Kapitän Smallwood hätte ihn genauso gut in Ketten legen können, anstatt ihm diese Aufgabe zu übertragen.
    Aber es war nicht nur Smallwood, es waren auch Al-Wazir, Dairy, Lombardo, der Waliser und alle anderen Männer auf Deck, an den Seilen und dem Tragkörper, die ihn brauchten. Vielleicht brauchte Oberleutnant Malgus ihn sogar am meisten, trotz seines seltsamen Verhaltens und seiner geheimnistuerischen Art.
    Wollers begleitete ihn nach draußen und zu Malgus’ Kabine. »Es ziemt sich nicht, dass ein einfacher Matrose sich hier einquartiert«, sagte der Zweite Offizier, »aber da dies auch der Kartenraum ist, dürfen Sie ihn als Ihren Arbeitsplatz nutzen. Behalten Sie Ihre Hängematte auf Deck, und essen Sie mit Ihrer Division und den Wachleuten. Sie müssen jeden Abend Mitternacht bestimmen. Dass Sie mir ja nicht einschlafen, wenn Sie mit der Längenuhr hierher zurückkehren.«
    »Zu Befehl, Sir.«
    Der Offizier ließ ihn allein, und Hethor setzte sich auf einen niedrigen Stuhl an Malgus’ Kartentisch, den er ursprünglich für ein Schreibpult gehalten hatte. Er sah sich in der winzigen Kajüte um. Keine Fenster, nur zwei Schränke für die Instrumente, eine Seemannskiste und ein schmales Bett, das wesentlich weniger anziehend auf ihn wirkte als seine eigene Hängematte. Und der Kartentisch. Das Untergestell bestand aus zahllosen Schubladen voller Karten.
    Nichts verriet auch nur das Geringste über Simeon Malgus, Oberleutnant zur See, Royal Navy. Hethor betrachtete die Seemannskiste. Auf dem Riegel befand sich ein frischer Wachsklumpen. Er war mit dem Kapitänssiegel oder vielleicht auch dem des Zahlmeisters versehen. Offensichtlich hatten die Offiziere Malgus als tot abgeschrieben, trotz Smallwoods deutlichen Worten, was einen Rettungsversuch betraf.
    Hethor zog die Schubladen auf, in denen sich die Karten befanden. Sie waren dicht übereinander gepackt und auf Papier gedruckt, das fast so dünn war wie Zwiebelschalen. Nur deshalb konnte man so viele Karten hineinstecken, dass sie für die langen Reisen der Bassett reichten.
    »Ich suche nach der Mauer«, sprach Hethor in den leeren Raum, und vielleicht sah Malgus’ Geist ihm zu.
    Er blätterte durch die englischen Wasser- und Luftrouten, mit Bleistift eingetragenen Hinweisen zur transatlantischen Navigation,

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